Wahlkampf im Land der Aufstocker
Die Nordost-LINKE will hauptsächlich mit sozialen Themen bei der Landtagswahl punkten
Der Berliner Platz in Schwerin ist einer dieser Orte in Mecklenburg-Vorpommern, für die die Zukunft vorbei zu sein scheint. Die DDR-Neubauten sind lange nicht gepflegt worden, an der Kaufhalle blättert die Farbe. Auf den riesigen Parkplätzen zwischen den Häusern zeigen die Lücken den Wohnungsleerstand und dass sich etliche Bewohner kein Auto mehr leisten können. Gäbe es nicht – noch – Fördermittel u. a. aus dem vom Bund gerade beschnittenen Programm »soziale Stadt«, würde wohl auch das Begegnungszentrum »Eiskristall« nicht mehr existieren.
Es ist kein Zufall, das Linkspartei-Spitzenkandidat Helmut Holter, die Listen-Zweite Simone Oldenburg und Landeschef Steffen Bockhahn diesen Ort ausgewählt haben, um die Landtagswahlkampagne der LINKEN vorzustellen. Erstens gehört die »Platte« auf dem Schweriner Dreesch zu Holters Direktwahlkreis. Und zweitens steht der Ort in seinem jetzigen Zustand gewissermaßen symbolisch für einen der Hauptslogans, mit dem die Partei auf landesweit etwa 600 Großflächenplakaten werben will: »Schön hier! Ohne Niedriglöhne wär's besser« steht darauf – unter einer Art Logo mit dem Text »Mit Uns«.
Mit drei großen Themen will die LINKE, sagt Holter, einen konzentrierten Landtagswahlkampf machen »ohne uns zu verzetteln«: An erster Stelle steht dabei das Arbeitseinkommen im Land der Aufstocker, in dem nach jüngsten Zahlen drei Viertel gerade der Jungen im Niedriglohnbereich arbeiten. Das zweite große Thema ist die Bildung, dass die Schulleiterin Simone Oldenburg nach vorne bringen soll – Ansatzpunkte gibt es auch hier genug: Fast 17 Prozent betrage die Schulabbrecherquote im Land, bundesweit sind es 3,5 Prozent. Drittens geht es um die Kommunalfinanzen, die in der laufenden Legislaturperiode massiv beschnitten wurden, was die Verwaltungen vielerorts kurz vor die Handlungsunfähigkeit bringe. »MV zahlt Mindestlohn. Mit Uns«, »Alle haben einen Schulabschluss. Mit Uns« und »Die Kommunen haben Geld. Mit Uns« lauten die dementsprechenden Losungen, die nun landesweit plakatiert werden.
Auffallend ist, dass »grüne« Themen kaum vorkommen, obwohl sich die Partei in den letzten Jahren stark in Energie-, Landwirtschafts- und Umweltthemen engagiert hat, etwa bei den Protesten gegen das atomare Zwischenlager in Lubmin. Mit der Konzentration auf das Soziale soll auch vermieden werden, das Geschäft der politischen Konkurrenz zu besorgen – der im Nordosten eigentlich winzigen grünen Partei, die derzeit dennoch bei etwa acht Prozent steht. »Die sollen das mal alleine schaffen«, sagt Bockhahn augenzwinkernd. Für das Zwischenlager bleibe die LINKE aber sensibel; dort dürfe kein weiterer Atommüll mehr gelagert werden.
Das Wort »Ministerpräsident« nimmt Holter nicht in den Mund an diesem Vormittag. Deutlich unterstreichen Spitzenkandidat und Landeschef dagegen die Koalitionsaussage: Die Linkspartei »drückt aus, dass MIT UNS die SPD ihr eigenes Wahlprogramm umsetzen, ohne uns es nur brechen und Gefangene der CDU bleiben kann«, steht in dem Erklärzettel für Journalisten. Und als Holter über das in der Tat bescheidene Wahlkampfbudget von rund 465 000 Euro spricht, rutscht ihm die Bemerkung heraus, man habe »natürlich nicht dieselben Möglichkeiten wie die großen Parteien«.
Welche Karte die SPD um Ministerpräsident Erwin Sellering am Ende tatsächlich spielen wird, ist ungewiss. Für ein drittes Mal Rot-Rot sprechen etwa die Plakate, die Holters SPD-Wahlkreiskonkurrent Jörg Heydorn vor dem »Eiskristall« hat kleben lassen. »25 000 Arbeitsplätze geschaffen. Und jetzt höhere Löhne« steht darauf.
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