Notfalls wird gelost
Am 4. September wird in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur über den Landtag abgestimmt
Noch ist noch nicht einmal definitiv klar, ob die Kreisgebietsreform im Nordosten überhaupt Bestand hat: Am 15. August entscheidet darüber das Landesverfassungsgericht in Greifswald. Dennoch werden vorbehaltlich dessen die Wahlvorbereitungen schon getroffen: Parallel zum neuen Landtag sollen auch die Parlamente der neuen Großkreise gebildet und die jeweiligen Landräte eingesetzt werden.
Auch über die Namen der neuen Kreise soll an der Urne entschieden werden, um die Identifikation mit den neuen Territorien zu fördern – und so wohl auch den Ärger etwas zu mildern, der viele angesichts der wachsenden Distanzen zu den Behörden überkommen wird. In einem recht komplizierten Verfahren gelang es, die Flut der Ideen so weit zu begrenzen, dass am Ende nur jeweils zwei Vorschläge auf den Wahlzettel kamen. Und sollte die Abstimmung entsprechend ausgehen, könnten künftig drei der sechs Großkreise im Nordosten nahezu identisch »Ostseekreis« heißen: Für das Gebilde aus dem jetzigen Nordvorpommern, der Stadt Stralsund und der Insel Rügen etwa tritt »Ostseekreis Stralsund« gegen »Landkreis Vorpommern-Rügen« an. Aber auch das »eingekreiste« Wismar wird bald in seinem eigenen »Ostseekreis« liegen, falls sich die Mehrheit nicht für die Beibehaltung des trockenen »Nordwestmecklenburg« entscheidet. Und ganz im Osten könnte es einen »Ostsee-Haff-Kreis Vorpommern« geben, falls nicht »Landkreis Vorpommern-Greifswald« gewinnt.
Kreissitze stehen fest
Während bei den diversen »Ostseekreisen« noch ein gewisser Sinn hinter dem Vorschlag zu erkennen ist – letztlich touristische Werbung –, scheinen andere »Wahlalternativen« recht kleinlich: Rund um die Müritz zum Beispiel kann man nur darüber entscheiden, ob das Kind nun »Mecklenburgische Seenplatte« oder »Mecklenburg-Vorpommersche Seenplatte« heißt. Im Landeswesten dürfte hingegen die Frage, ob der Kreis »Parchim-Ludwigslust« oder »Ludwigslust-Parchim« genannt werden soll, erfahrungsgemäß dennoch mit großer Leidenschaft behandelt werden. Und für den Landkreis, der sich rund um die kreisfrei bleibende Stadt Rostock erstreckt, lautet die Frage, ob der Kreis nach Güstrow und Bad Doberan getauft wird, den zwei wichtigen Städten auf seinem Gebiet – oder ob er nach einer dritten Stadt heißen soll, die sich gerade nicht auf seinem Territorium befindet: »Landkreis Rostock«.
Wie das alles ausgeht, muss nun der Wähler entscheiden; bei Stimmengleichheit, so will es das Gesetz, wird gelost. Über die Kreissitze wird dagegen, anders als ursprünglich geplant, nicht abgestimmt – vielleicht hätte das dann doch zu viel Unfrieden in die Debatte gebracht. Verwaltungszentren sind also: Neubrandenburg für die Seenplatte, Güstrow für den Rostock umgebenden Großkreis, Parchim für den Landkreis ganz im Westen, Wismar für den Nordwesten, Stralsund für den Nordosten und Greifswald für den südlichen Osten des Landes.
Aufgegeben wird durch den angestrebten Neuzuschnitt der Kreise indessen die bisherige Aufteilung in Landesosten und Landeswesten: Gleich drei der sechs neuen Kreise vereinen Territorien, die bisher zu »Mecklenburg« gezählt wurden, mit solchen, die bisher als »Vorpommern« galten.
Geklagt haben Städte wie etwa Wismar und Greifswald, die ihre Kreisfreiheit verlieren sollen – und Landkreise wie etwa Rügen, die nach der Reform nicht mehr existieren würden. Die Gegner der Reform befürchten einerseits »Demokratieverluste« vor Ort. Andererseits führen sie ins Feld, dass die Landesregierung mit dem Kreisreform-Gesetz gegen ihre eigenen Leitbilder verstoße.
Erinnerung an 2007
So hatte sich die rot-schwarze Landesregierung am Anfang ihrer Diskussionen auf eine Maximalgröße von 4000 Quadratkilometern für einen Landkreis geeinigt. Tatsächlich aber übersteigt der neue Großkreis an der Seenplatte diese Grenze um gleich ein gutes Drittel. Zudem wurden aus Sicht der Kläger die betroffenen Kommunen und Städte nicht ausreichend einbezogen: man habe sie zwar Briefe schreiben lassen, die aber nur abgeheftet und vergessen, sagte ein Kläger-Anwalt kürzlich in der Hamburger Morgenpost. Aus ganz ähnlichen Gründen hatte das Greifswalder Verfassungsgericht im Jahr 2007 schon einmal eine Kreisreform in Mecklenburg-Vorpommern gestoppt.
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