Jugend zieht andere Saiten auf
Rund 1400 Musiker treffen sich beim Festival Young Euro Classic
Kunst kann Hoffnung geben auf ein Leben jenseits von Armut. Was der Tanz in den Townships von Südafrika stiftet, Ausbildung für Kinder der Ärmsten, praktiziert vielerorts auch die Musik. Nie wäre manche Begabung erkannt worden, gäbe es nicht Jugendorchester und ihre sozial engagierten Leiter. Ihnen allen bietet seit 2000 das Berliner Festival Young Euro Classic ein Podium. Auch sein zwölfter Jahrgang findet im Konzerthaus statt, vereint an 17 Festivaltagen in 17 Konzerten und einem separaten Klavierfestival 16 der besten Jugendorchester und aufstrebende Solisten aus fünf Kontinenten.
Nicht nur werden Paten von Klaus Wowereit bis Katja Ebstein je einen der Abende eröffnen. Mehr noch zählt die künstlerische Zusammenarbeit mit Stardirigenten, von denen die Orchestermitglieder profitieren. Auch die diesjährigen Schwerpunkte des seit Gründung von Gabriele Minz und Dieter Rexroth geleiteten Festivals zeugen von sozialem Engagement.
Gleich der Auftakt morgen Abend verspricht einen Höhepunkt. Denn erstmals beim Festival spielt mit dem Orquestra Juvenil da Bahia ein Orchester aus Brasilien. Rund 100 Jugendliche von 12 bis 25 aus verschiedenen sozialen Schichten musizieren unter dem Dirigat von Ricardo Castro, selbst gefragter Pianist, der die portugiesische Kollegin Maria Joao Pires für das Konzert gewinnen konnte. Liszt und Chopin erklingen, ebenso – ganz im Geist des Festivals – Kompositionen nationaler Meister von Villa-Lobos bis zu Wellington Gomes, der eine deutsche Erstaufführung beisteuert. Zu den Klangkörpern des Schwerpunkts Südamerika zählt auch das Orquestra Sinfónica Juvenil Batuta Bogotá, das bei seinem Festivaldebüt Chatschaturjan neben Revueltas »Noche de los Mayas« und als deutsche Erstaufführung die Sinfonischen Variationen »Ramón el Camaleón« stellt. Dass allein in kolumbianischen Jugendorchestern 47 000 Jugendliche eine Chance erhalten, macht dieses Projekt besonders berührend. Aus über 20 Staaten von Kanada bis Chile kommen die 100 Musiker des YAO Orchestra of the Americas, das außer Tschaikowsky und Bach Plaza und Golijov spielt.
Zweiter Schwerpunkt ist der von Cem Mansur geleitete Abend des extra gegründeten Young Euro Classic Festivalorchesters Türkei-Deutschland: Studenten aus beiden Ländern sowie mit türkischem Migrationshintergrund in der Bundesrepublik spielen Beethoven, Rossini, klassische türkische Musik und zwei vom Festival in Auftrag gegebene Uraufführungen türkischer Komponisten.
Nicht minder spannend dürfte das Konzert der Young Euro Classic Akademie Südkaukasus sein, wenn sich Musiker aus den politisch differenten Ländern Armenien, Aserbaidschan und Georgien bei Mozart, Bartók und zeitgenössischen Kreationen von Khachatryan und Ali-Sade begegnen. Festivalpremiere werden ebenso das KOSYM Youth Orchestra aus Korea mit nationaler Ballettmusik und einem Violinkonzert von Isang Yun sowie, mit der weitesten Anfahrt, das Auckland Youth Symphony Orchestra aus Neuseeland haben, das neben Mendelssohn Bartholdy, Strauss und Poulenc eine Uraufführung präsentiert.
Festivalpremiere ist auch die Aufführung eines Operneinakters von Rossini auf der umgestalteten Konzertbühne: Ganz in der Hand der Niederlande in Spiel und Gesang liegt nun die amüsante Liebesgeschichte »Il signor Bruschino«. Das Orkester Norden vereint Musikstudenten der acht Ostseeanrainerstaaten von Dänemark bis Island. Erst seit 2007 besteht das Polska Orkiestra Sinfonia Iuventus aus über 70 jungen Musikern, die neben Hindemith und Berlioz auch Szymanowskis Sinfonie Nr. 4 aufführen. Mangel an nationalen Komponisten von Weltgeltung hat freilich die Junge Philharmonie Russland nicht: Ljadow, Prokofjew, Tschaikowsky musiziert dieses Orchester vom St. Petersburger Konservatorium. Aus Deutschland beteiligen sich das Bundesjugendorchester und, auch mit Jazz, das International Regions Symphony Orchestra.
5.-21.8., Konzerthaus, Gendarmenmarkt, Mitte, Eintritt maximal 15 Euro, Kartentelefon 01805-969 00 00, Infos unter www.young-euro-classic.de
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