Taliban schossen offenbar US-Hubschrauber ab
Alle 38 Insassen starben / Schwerster Verlust seit dem Einmarsch 2001 / Präsident Obama: »Außergewöhnliche Opfer«
Kabul/Washington (dpa/AFP/ND). Den Berichten zufolge handelt es sich um den bislang schwersten Verlust für die US-Truppen seit Beginn des Militäreinsatzes am Hindukusch vor fast zehn Jahren. Bei dem Vorfall in der Nacht zu Sonnabend starben 30 US-Militärs, sieben afghanische Soldaten und ein afghanischer Übersetzer. Das teilte die Internationale Schutztruppe ISAF mit. Die Taliban erklärten, sie hätten den Hubschrauber in der Provinz Wardak südwestlich von Kabul abgeschossen. Die »New York Times« zitierte in ihrer Onlineausgabe einen nicht näher benannten ISAF-Vertreter, wonach eine Granate den Helikopter traf. Die ISAF bestätigte das nicht und teilte mit, sie untersuche die Umstände des Absturzes. Ein Sprecher räumte allerdings ein, dass es im Absturzgebiet »feindliche Aktivitäten« gegeben habe.
Der Sprecher der Provinzregierung von Wardak, Schahidullah Schahid, machte die Taliban für den Abschuss des Transporthubschraubers vom Typ CH-47 Chinook verantwortlich. »Er wurde von einer Rakete, die von Aufständischen abgefeuert wurde, getroffen und vollständig zerstört«, sagte Schahid. Auch der regionale Kommandeur der afghanischen Armee, Abdul Rasek, sagte, der Hubschrauber sei nach seinen Informationen am frühen Sonnabendmorgen im Osten des Landes von einer feindlichen Rakete abgeschossen worden. Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid erklärte, die Aufständischen hätten den Hubschrauber zerstört.
Der Gouverneur von Wardak, Mohammed Haleem Fedai, sagte, es habe in seiner Provinz einen Militäreinsatz afghanischer und ausländischer Truppen gegen die Taliban gegeben, bei dem acht Aufständische getötet worden seien. Wie CNN berichtete, war der Hubschrauber mit der Eliteeinheit auf dem Weg ins Kampfgebiet.
Der afghanische Präsident Hamid Karsai übermittelte US-Präsident Barack Obama und den Familien der Toten sein »tiefstes Beileid«. Obama sprach von »außergewöhnlichen Opfern« der Soldaten in Afghanistan. Sie dienten an der Front, »damit wir in Freiheit und Frieden leben können«.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Außenminister Guido Westerwelle äußerten sich bestürzt. »Ich bin tief betroffen von dem schrecklichen Verlust einer so großen Zahl amerikanischer Soldaten«, übermittelte die Kanzlerin Obama. Ein solcher Vorfall werde die NATO jedoch nicht davon abhalten, den Wiederaufbau Afghanistans fortzusetzen.
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen bedauerte den Verlust der Menschenleben und versicherte, die NATO stehe Seite an Seite mit dem US-amerikanischen und dem afghanischen Volk.
Derzeit sind rund 140 000 NATO-Soldaten in Afghanistan im Einsatz, darunter 100 000 aus den USA. Die Mehrheit soll bis Ende 2014 abgezogen werden. Obama hatte angekündigt, bereits bis zum Sommer nächsten Jahres 33 000 US-Soldaten heimzuholen. Nach Angaben des Pentagons wurden bislang etwa 1600 US-Soldaten in Afghanistan getötet.
Nach einem NATO-Beschluss sollen der Kampfeinsatz am Hindukusch bis 2014 beendet und die Sicherheitsverantwortung für das Land bis dahin schrittweise an die Afghanen übergeben werden. In den ersten sieben Gebieten übernahmen afghanische Armee und Polizei vor wenigen Wochen das Kommando von der ISAF.
Unterdessen sind am Sonntag mindesten vier weitere NATO-Soldaten ums Leben gekommen. Wie die Schutztruppe mitteilte, starben die Einsatzkräfte bei Angriffen von Aufständischen im Osten und Süden des Landes. Zu weiteren Einzelheiten machte die NATO-geführte ISAF keine Angaben.
Bei einem Angriff von NATO-Kampfflugzeugen auf ein Haus im Süden Afghanistans sind derweil acht Zivilisten getötet worden. Die Toten gehörten alle zu einer Familie, teilte die afghanische Polizei am Wochenende mit. Unter ihnen seien Frauen und Kinder. Im ersten Halbjahr 2011 wurden nach Angaben der Vereinten Nationen in Afghanistan 79 Zivilisten bei Einsätzen von NATO- und US-Truppen getötet.
Die ISAF reagierte nach eigener Darstellung mit dem Bombenangriff am Freitag auf eine Attacke der Taliban auf eine Patrouille im Bezirk Nad Ali in der Südprovinz Helmand. »Einer der Bündnissoldaten wurde bei dem Angriff verwundet. Er starb später und die Streitkräfte forderten am Ende einen Luftangriff an«, sagte ein Polizeisprecher. Die ISAF räumte die Möglichkeit ziviler Opfer ein. Der Vorfall werde untersucht.
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