Kein Papier gegen die Mafia
Der Justiz in Kalabrien fehlen elementare Arbeitsmittel
Wenn man an Kalabrien denkt, fällt einem wahrscheinlich die wunderschöne Landschaft ein, auch das Meer und das gute Essen, aber auch die 'Ndrangheta, eine der mächtigsten Verbrecherorganisationen der Welt. Und man denkt, dass dort die Justizbehörden besonders gut ausgestattet sind, um dieses Phänomen angemessen zu bekämpfen. Aber weit gefehlt: In den Büros der Staatsanwaltschaft fehlt es an allem – sogar an Papier!
»Wir haben kein Papier mehr und das ist für einen Justizbeamten so, als würde man einem Fußballspieler die Schuhe wegnehmen.« Das erklärte vor Kurzem öffentlich Giuseppe Borrelli, Staatsanwalt in Catanzaro in Kalabrien. »Wir können bald keine Akten mehr aufsetzen, keine Fotokopien mehr machen, nichts ausdrucken und auch kein Fax mehr schicken«, bestätigten die Mitarbeiter seines Büros. Nach diesem ersten Hilfeschrei meldeten sich auch Justizbeamte aus anderen Teilen der Region an der Spitze der italienischen Halbinsel zu Wort. »Wir haben keine Farbpatronen mehr – weder für die Drucker noch für die Faxgeräte«, erklärt Domenico Airoma, Staatsanwalt in Cosenza. Die Mittel seien immer mehr gestrichen worden und im Augenblick habe er für ein Jahr gerade 7000 Euro für die sogenannten »materiellen Ausgaben« zur Verfügung. Wer einmal eine Patrone für seinen Drucker gekauft hat, weiß, dass man damit nicht weit kommt.
Aber in den Justizbehörden von Kalabrien fehlt es auch an Personal. Giuseppe Borrelli erzählt, dass in Catanzaro nur vier Staatsanwälte arbeiten. »Auch wenn keiner krank ist und keiner Urlaub hat, reicht das hinten und vorne nicht. Dazu kommt, dass unser Distrikt Außenstellen umfasst, die zum Teil 200 Kilometer entfernt liegen. Wir müssen häufig über 400 Kilometer täglich mit dem Auto zurücklegen«. Und ein Auto kann man bekanntlich nur benutzen, wenn Benzin im Tank ist. Aber Geld für den Treibstoff fehlt nicht nur der Staatsanwaltschaft, sondern immer wieder auch der Polizei, die sich genauso wie die Justizverwaltung über permanenten Geldmangel beklagt.
Zumindest das Papierproblem wurde in der Staatsanwaltschaft von Catanzaro erst mal gelöst. Im kalabresischen Dorf San Lorenzo del Vallo, malerisch in den Bergen und an einem kleinen See gelegen, hörte Bürgermeister Luciano Marranghello den verzweifelten Aufschrei von Borrelli. Erst wollte er seinen Ohren nicht trauen, weil er einfach nicht fassen kann, dass sich das Ministerium in Rom so überhaupt nicht um die Belange der Staatsanwaltschaft in einem »Krisengebiet« kümmert und noch nicht einmal genügend Papier zur Verfügung stellt. Marranghello wurde 2010 selbst Opfer eines Einschüchterungsversuchs der 'Ndrangheta, als man ihm einen Umschlag mit einigen Patronen und Drohungen zuschickte – er weiß also, wie wichtig eine funktionsfähige Justiz in Kalabrien ist. Der Bürgermeister beschloss zu handeln: Er bat seine Kollegen in der Stadtverwaltung, ein Jahr auf ihre Aufwandsentschädigung zu verzichten und bekam so über 6000 Euro zusammen. Davon kaufte er 24 Doppelzentner Schreibpapier und die schickte er nach Catanzaro. Der Staatsanwalt dankte beglückt: »Papier haben wir jetzt erst Mal, … aber ich muss gleich sagen, dass uns die Farbpatronen ausgehen. Die reichen vielleicht noch bis September …«.
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