Aus für Wetterstation auf dem Alexanderplatz
Nach 42 Jahren musste die einzigartige Anlage abgebaut werden – ein neuer Standort fehlt
Die Wetterstation auf dem Berliner Alexanderplatz galt unter Wetterexperten als Besonderheit. In kaum einer anderen Stadt konnte das Innenstadtklima laut Deutschem Wetterdienst (DWD) so gut und so lange beobachtet werden wie in Berlin. Nach gut 42 Jahren lückenloser Messungen musste der DWD die Station zum 1. August abbauen, weil der Pachtvertrag mit dem Grünflächenamt Mitte auslief und der Platz umgestaltet werden soll. Die jahrzehntealte Messreihe droht nun abzubrechen.
Der DWD habe zwei Alternativstandorte in der Nähe vorgeschlagen. Doch der Bezirk habe sie nicht akzeptiert, sagt DWD-Mitarbeiter Jürgen Tremmel. Geeignet sei eine etwa 50 Quadratmeter große Fläche an der Karl-Liebknecht-/Ecke Spandauer Straße. Dort müssten zwei Bäume gefällt werden, was das Amt ablehne. Auch eine Fläche gegenüber dem Roten Rathaus genüge den internationalen Standards, werde aber als Freizeitfläche benötigt. Das Amt habe andere Plätze angeboten, die wiederum aus Sicht der Meteorologen ungeeignet sind.
»Eine Wetterstation wie die auf dem Alex ist in Europa ganz selten«, erklärt Tremmel. In vielen Städten werde das Klima in Parks beobachtet. Diese Ergebnisse spiegelten aber nicht das urbane Innenstadtklima wieder, da es in Parks oft kühler sei und die Wärme nicht so lang gespeichert werde. Seit 1969 wurden auf dem Alexanderplatz Lufttemperatur und -feuchtigkeit, Niederschlagsdauer und -menge, die Bodentemperatur und andere Werte gemessen.
Die Daten seien auch Grundlage einer Untersuchung des DWDs für Berlin gewesen, erläutert der Sprecher der Zentrale in Offenbach, Gerhard Lux. Dabei sei es um die Anpassungsmaßnahmen an den zu erwartenden Klimawandel bis 2050 gegangen. Weitere Messungen an dieser Stelle seien zwingend notwendig.
»Seit zwei Jahren laufen dazu Gespräche mit verschiedenen Ämtern der Stadt Berlin. Alles im Endeffekt ergebnislos und für uns sehr enttäuschend, obwohl wir absolut kompromissbereit waren. Aber ein Standort mit Regenmesser unter Bäumen kann kein Kompromiss sein – es ist doch klar, dass dort alle Daten völlig verfälscht sind«, betont Lux. In seiner Not habe sich der DWD Anfang des Jahres an den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) gewandt. Schützenhilfe habe es von renommierten wissenschaftlichen Institutionen gegeben. »Eine Antwort haben wir nicht erhalten«, berichtet Lux.
Zu den Unterstützern zählt der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber, der sich persönlich an Wowereit gewandt hat. »Das PIK profitiert wie viele andere Forschungseinrichtungen in Deutschland auch von den in Berlin erhobenen Messdaten, die für die ›Metropolenforschung‹ und damit auch die Stadtklimaforschung in Deutschland unabdingbar sind«, erklärt er. Wowereit wiederum sagte der Nachrichtenagentur dpa, er wisse nichts von dem Brief Schellnhubers.
Der DWD hat die Hoffnung nicht aufgegeben: Die Anlage könne schnell wieder an einem neuen Standort aufgebaut werden, sagt Lux. »Wir stehen bereit.« Wenn die Lücke in der Messreihe nicht zu groß wird, könne man sie mit Daten anderer Stationen kurzfristig überbrücken. Ob noch ein neuer Platz als Ersatz gefunden werden kann, ist unklar. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann sich nach Auskunft eines Sprechers erst in den kommenden Tagen zu dem Thema äußern. Auch vom Grünflächenamt war zunächst keine Stellungnahme zu bekommen.
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