Schweigen, paddeln, erinnern
Zum 13. August: Gedenkminute für Maueropfer und Erweiterung des Denkmals Bernauer Straße
Am Samstag soll die Stadt stillstehen. Busse und Bahnen werden für einen Moment anhalten und die Oberhäupter der Regierung werden die Köpfe neigen, während der Klang von Kirchenglocken durch die Straßen tönt. An diesem 13. August will Berlin der Maueropfer mit einer Schweigeminute gedenken – und ganz Deutschland soll mitmachen. So wünscht es sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der alle Menschen dazu aufrief, sich an dem stillen Moment um 12 Uhr zu beteiligen. Die Idee stammt vom Förderverein Berliner Mauer und der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft. Das Bundesinnenministerium hat zudem Trauerbeflaggung angeordnet – bundesweit werden die Fahnen auf Halbmast wehen.
In der Gedenkstätte Berliner Mauer wird der offiziellen Erinnerung im Anschluss an die Schweigeminute ein neues Stück hinzugefügt – dann wird der zweite Abschnitt des Gedenkstättenareals in der Bernauer Straße eröffnet. Was Fußgänger und Radfahrer bislang nur durch Bauzäune beäugen konnten, ist dann frei zugänglich. Auf 450 Meter Länge kann man zwischen Ackerstraße und Brunnenstraße auf dem einstigen Todesstreifen schlendern.
Im Gegensatz zum ersten Teil der kostenlosen Open-Air-Ausstellung, der bis zum Nordbahnhof reicht, sind hier keine Mauerreste erhalten. Dafür versuchen 22 großformatige Fotos an den angrenzenden Hauswänden einen Eindruck jener Zeit vor 50 Jahren zu vermitteln. Darunter ist auch das Bild des DDR-Grenzsoldaten, der über den Stacheldraht in den Westen und zugleich ins kollektive Gedächtnis sprang. »Das Konzept ist es, Geschichten an dem Ort zu erzählen, wo sie passiert sind«, erklärte der Direktor der Gedenkstätte, Axel Klausmeier, gegenüber ND. Dazu dienen 26 Informationsstelen, die den Besuchern mit Videos, Ton- und Bilddokumenten persönliche Schicksale nahebringen. Rund drei Millionen Euro sind für diesen Bauabschnitt geflossen.
Der Schwerpunkt des 1,5 Hektar großen Areals ist die Zerstörung der Wohnhäuser, die hier im einst dicht besiedelten Gebiet standen. Die Umrisse der abgerissenen Grenzhäuser und einiger Fluchttunnel sind nachgezeichnet, archäologische Fenster geben den Blick auf ausgegrabene Kellerreste frei. Auch die Sprengung der Versöhnungskirche wird thematisiert.
In der Kapelle der Versöhnung, die im Jahr 2000 am historischen Ort eingeweiht wurde, beginnt um Mitternacht der Gedenktag zum 50. Jahrestag des Mauerbaus. Bis 6 Uhr morgens werden dort die Biografien der Todesopfer verlesen. Ab 10 Uhr folgt die offizielle Gedenkveranstaltung, unter anderem mit Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Am Abend treffen sich Fluchthelfer und Flüchtlinge in der Kapelle. An der Bernauer Straße/Ecke Ackerstraße gibt es bis 19 Uhr eine Open-Air-Bühne, gegenüber dem Besucherzentrum stellen sich von 12 bis 18 Uhr zahlreiche Aufarbeitungsinitiativen vor. Der genaue Ablauf ist im Internet nachzulesen unter berliner-mauer-gedenkstaette.de.
Am Samstag wandern die Blicke in Berlin vielerorts ein halbes Jahrhundert zurück. Schon im Vorfeld gab es unzählige Ausstellungseröffnungen und Veranstaltungen. Das Programm gibt es unter 50jahremauerbau.de. Dort lassen sich auch ungewöhnliche Gedenkereignisse finden, wie Kanuexkursionen auf der Spree, bei denen man paddelnd die Grenzreste erkundet.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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