Es gab keine Bananen, oder?

Ferne Vergangenheit – Jugendlicher Blick von heute reicht nicht weit

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 2 Min.

Ihr Wissen ist so grobkörnig und schwarzweiß wie manche Fotos, die seit 50 Jahren in Kisten liegen, in Alben kleben und in Archiven verstauben. Sie sind geboren und aufgewachsen in einem Berlin, dass zumindest realpolitisch keine Teilung mehr kennt. Die Eltern der heutigen Jugendlichen ihrerseits sind noch groß geworden in Ost und West, haben sicher noch Geschichten zu erzählen. Seien es nun die vom Fensterblick auf die Mauerkrone, von Westpaketen oder von abenteuerlichen Fluchtversuchen von Freunden und Familienmitgliedern. Doch egal ob Alltagsanekdote oder tragische Familiengeschichte – ein Interesse für die eigene Familiengeschichte scheint bei den 14-, 15-Jährigen so gut wie nicht vorhanden.

Und dabei ist die Rede nicht von beliebig auf der Straße befragten jungen Menschen, sondern von Jungen und Mädchen, die auf Initiative des ND gezielt ihre eigene Familiengeschichte entdecken sollen – und eigentlich auch wollen. Ihre Äußerungen sind zum Teil konfus, die Kürzel DDR und BRD werden durcheinander geworfen und mit einem »Na, is' ja auch egal« für unterschiedslos erklärt. Irrelevant wird, wo denn nun die Eltern groß geworden sind, jedenfalls gab es keine Bananen. Oder? Man musste für alles mögliche anstehen. Und es gab ja nichts. Mehr als die mittlerweile graubärtigen Klischees bleiben in den jungen Köpfen nicht hängen.

Die Mauer ist von ihrer Gegenwart genauso soweit weg wie die Mondlandung oder Friedrich I. Genauso unvorstellbar scheinen die Teilungsjahre zu sein wie die Tatsache, dass die Eltern noch Telefone mit Hörer und Wählscheibe benutzten – und ebenso lustig. Die Schilderung einer Hausdurchsuchung der elterlichen Wohnung durch die Polizei zu DDR-Zeiten wird nicht mal mehr als vielleicht spannendes Abenteuer wahrgenommen, sondern nur amüsiert belächelt.

Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, dass diese Generation sich keinen Deut mehr um die direkte Vergangenheit schert. – Solange hinter dieser gesunden Ignoranz nicht die Bedeutung eben jener Vergangenheit für die Gegenwart verschwindet.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!