Nur das Kind ist unschuldig

Notizen von der offiziellen Gedenkveranstaltung in der Bernauer Straße in Berlin

  • Karlen Vesper
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.

Am Wochenende wurde in Deutschland des 50. Jahrestages der Schließung der Sektorengrenzen von Berlin (Ost) zu Westberlin am 13. August 1961 gedacht. Höhepunkt war die offizielle Gedenkveranstaltung in der hauptstädtischen Bernauer Straße, an der Vertreter der Bundesregierung und des Bundestages, der Bundespräsident sowie Instituts- und Stiftungsdirektoren, Landes- und Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen und Zeitzeugen teilnahmen.

Punkt 12 Uhr begann am Sonnabend, dem 13. August, die Schweigeminute »im Gedenken der Opfer von Mauer und kommunistischer Gewaltherrschaft, in Erinnerung an die mutigen und gewaltfreien Bürger, die die SED-Diktatur stürzten«. Punkt 12 Uhr ließ ein kleines Mädchen unüberhörbar seinen Unmut wissen. Es schrie seinen Frust hinaus in die weite Welt. An dem Ort, an dem an diesem Tag die Kameras und Mikrofone der Welt gerichtet waren. Der Mutter gelang es nicht, das Kind zu besänftigen. Sie gehörte zu den geladenen Gästen hinter der Absperrung, war quasi »gefangen«, konnte nicht entfleuchen, um die andächtige Stille nicht zu stören. Hinter dem Sperrgürtel drängten sich dicht an dicht neugierige Ost- und Westberliner sowie Touristen – eine undurchdringliche Menschenmauer. Das Mädchen schwieg erst, als die Schweigeminute verstrichen war. Was hatte seinen Wutausbruch entzündet? Doch nicht die zuvor gehaltenen Reden? Das Kind ist unschuldig.

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