Sanieren statt Abreißen

Schöneberger Mieter wollen preiswerten Wohnraum retten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

Heute Nachmittag wird mit einer Kundgebung vor dem Rathaus Schöneberg gegen die Verdrängung von Bewohnern mit geringen Einkommen aus dem Stadtteil demonstriert. Organisiert werden die Proteste von Mietern des Hauses Barbarossastraße 59. Denn heute soll in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) über den Bebauungsplan und damit die Zukunft des Gebäudes diskutiert werden, das 1964 im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet wurde und jetzt Lofts für Gutverdienende weichen soll.

Ein Großteil der ursprünglich 106 Mietwohnungen des Gebäudekomplexes steht bereits leer. Viele Wohnungstüren stehen offen. Dahinter sind teilweise gut erhaltene Wohnungen zu sehen, die aber für die Hochtief Projektentwicklung GmbH nicht profitabel genug sind. »Eine solch preiswerte Wohnung finde ich in Berlin nicht mehr«, erklärt Hannah Wiesniewska. Sie gehört zu den Mietern, die sich mit politischen und juristischen Mitteln gegen den Abriss wehren. So hatte sie mit weiteren Betroffenen zahlreiche Einwände gegen den von Hochtief vorgelegten Bebauungsplan eingereicht. Die Mieter kooperieren mit anderen Initiativen in der Stadt. Auch die Nachbarn wurden über die Abrisspläne unterrichtet.

Auf juristischer Ebene haben die Mieter sogar einen Heimvorteil. Mit Fred Skroblin gehört ein auf Mietrecht spezialisierter Rechtsanwalt zu den renitenten Bewohnern. Für ihn ist die Auseinandersetzung auf juristischer Ebene noch längst nicht verloren. Erst vor wenigen Wochen hat das Gericht einem Mieter Prozesskostenhilfe zuerkannt. Die Voraussetzung dafür ist, dass ein positiver Ausgang des Verfahrens zumindest möglich ist. Für Skroblin muss das Gericht letztlich eine politische Frage klären. »Steht der Wunsch eines Eigentümers nach hohen Gewinnen über den Mieterinteressen? Darum geht es bei der Frage Sanierung oder Abriss der Barbarossastraße 59.« Er rechnet mit einem langen Verfahren durch alle Instanzen.

Eine juristische Entscheidung für die Mieter wäre eine Ohrfeige für die Bezirkspolitik. Denn von der fühlen sich die Hausbewohner allein gelassen. »Wir haben immer wieder versucht, die BVV-Politiker davon zu überzeugen, dass eine Sanierung des Hauses sowohl aus sozialen als auch aus ökologischen Gründen die bessere Lösung ist«, erklärt Wiesniewska. »Doch wir wurden aufgefordert, bloß keine Polemik in die Auseinandersetzung zu bringen.«

Der Schöneberger Baustadtrat Bernd Krömer (CDU) verteidigt den Abriss als Aufwertung des Stadtteils. Im Bebauungsplan ist davon die Rede, dass die »schrittweise und grundstücksbezogene Rekonstruktion oder Anlehnung an historische Baufluchten die Qualität des Viertels aufwerten und weiterentwickeln« soll. Besonders enttäuscht ist Wiesniewska von SPD und Grünen, die sich ihrer Meinung nach kaum für die Mieter einsetzen.

Hinter dem abrissgefährdeten Haus befindet sich ein kleiner Park mit fast 40 Jahre alten Bäumen. Die Mieterin fürchtet, dass diese grüne Lunge gefährdet ist. Auch Umweltschutzverbände haben sich schon für den Erhalt der Bäume eingesetzt.

Unterstützt werden die Mieter von der Linkspartei Tempelhof-Schöneberg. Mitte Juli hatte sie ein Solidaritätsfest im Hof des Hauses organisiert. Auch zahlreiche Nachbarn hatten sich eingefunden, um sich zu informieren oder ihre Unterstützung anzubieten. Denn die Angst vor Prenzlauer Berger Verhältnissen mit steigenden Mieten wächst auch in Schöneberg.

Die Kundgebung unter dem Motto »Zeigt den Baulobbyisten die Rote Karte« beginnt um 16 Uhr vor dem Schöneberger Rathaus.

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