Russland will im Streit mit Iran vermitteln

Ahmadinedschad begrüßt Moskauer Initiative und ist bereit, eigene Vorschläge zu unterbreiten

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Russland bemüht sich, die auf Eis liegenden Atomverhandlungen zwischen Iran und der sogenannten 5+1-Gruppe wieder in Gang zu bringen. Am Mittwoch verhandelte Außenminister Lawrow in Moskau mit seinem iranischen Kollegen Salehi.

Schon am Dienstag hatte Nikolai Patruschew, Koordinator des russischen Sicherheitsrates, in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad gesprochen. Die Aussagen beider waren nahezu identisch: Teheran begrüße Russlands Initiative zur Beilegung des Streits um das iranische Kernforschungsprogramm. So hieß es nach dem Treffen sowohl auf der Internetseite der iranischen Präsidentschaft als auch bei der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti, die Patruschew zitierte.

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte Mitte Juli einen Vorschlag zur etappenweisen Beilegung des Atomstreits unterbreitet: Beide Seiten sollten abwechselnd einen Schritt vorwärts machen. Soll heißen: Im Gegenzug für einen ersten iranischen Schritt sollte die 5+1-Gruppe (die UN-Vetomächte und Deutschland) die Sanktionen gegen Iran lockern.

Zwar hatte Irans Präsident Ahmadinedschad seinem russischen Kollegen Dmitri Medwedjew erst im Juni in Kasachstans Hauptstadt Astana beim Gipfel der Schanghai-Organisation erneut versichert, Iran strebe nicht nach dem Besitz von Kernwaffen. Doch der Westen bezweifelt das. Vor allem die Tatsache, dass Teheran auf einer Urananreicherung im eigenen Land beharrt, wird als Indiz dafür gewertet, dass in Iran Kernforschung nicht nur zu friedlichen Zwecken betrieben wird.

Der UN-Sicherheitsrat hatte daher im Juni 2010 schärfere Sanktionen gegen Teheran beschlossen, die auch von China und Russland befürwortet wurden. Außenminister Lawrow hatte gleichzeitig jedoch davor gewarnt, Iran international in die Isolation zu treiben. Das sei ein Weg in die Sackgasse.

Mit seinem Kompromissvorschlag strebt Lawrow daher die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit der Sechsergruppe an. Über Details verhandelte der Außenminister am Mittwoch mit seinem Kollegen Ali Akbar Salehi. Präsident Ahmadinedschad hatte im Gespräch mit Patruschew erklärt, Iran sei bereit, für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich Vorschläge zu machen.

Das alles lässt Beobachter hellhörig werden. Denn die iranisch-russisch Beziehungen waren nach Moskaus Ja zu verschärften UN-Sanktionen, an denen auch die Lieferung moderner russischer Raketenabwehr für Teheran scheiterte, hart in die Nähe des Gefrierpunkts gerutscht. Ahmadinedschad hatte sogar mit Kündigung der Freundschaft gedroht.

Diese Freundschaft ist ohnehin belastet: durch unversöhnliche Positionen bei der Teilung des Kaspischen Meeres, gegenseitige Beschuldigungen wegen der immer wieder vertagten Inbetriebnahme des von Russland fertiggestellten Kernkraftwerks Buschehr, das noch vor Jahresende ans Netz gehen soll, und durch Rivalitäten beim Kampf um Einfluss in Zentralasien, wo Iran seine einstige Rolle als regionale Großmacht restaurieren will. Auch war es vor allem Moskau, das sich gegen eine Vollmitgliedschaft Irans in der Schanghai-Organisation sperrte.

Die Wiederannäherung wird von der Mehrheit der russischen Experten vor allem als gezielten Nadelstich gegen Washington gewertet. Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum dagegen glaubt, durch die Wiederherstellung guter Beziehungen zu Iran wolle Russland demonstrieren, dass es eine souveräne Außenpolitik gegenüber den muslimischen Staaten betreibt und fähig ist, sich auch mit extrem schwierigen Partnern zu einigen. Ein erfolgreicher Vermittler zwischen Okzident und Orient könne sich entsprechende Dienste von beiden Seiten honorieren lassen.

Vermeiden muss Russland eine dauerhafte Verstimmung in Teheran aber auch, weil China dadurch an Einfluss gewinnen würde. Und das kann Moskau angesichts wachsender Rivalitäten und des Wettbewerbs in Fernost wie in der öl- und gasreichen Kaspi-Region auf keinen Fall zulassen.

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