Tummelplatz für Geheimoperationen

Für die gezielten Tötungen in Syrien kommen nicht allein die Sicherheitskräfte in Frage

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.
Dschisr al-Schughur, Hama, Homs, Deir El-Zor, Latakia – das sind syrische Städte, in denen sich nach offizieller Darstellung »bewaffnete terroristische Gruppen« Kämpfe mit Armee und Sicherheitskräften liefern. Westliche Medien ignorieren diese Darstellung weitgehend ebenso wie Meldungen von großen Waffenfunden, die in den letzten Wochen immer wieder von Damaskus bekannt gegeben wurden.

Westliche Medien folgen fast ausschließlich Berichten von Oppositionellen, die – oft unterlegt mit Videoaufnahmen unklarer Herkunft – erklären, alle staatlichen Einsätze der syrischen Regierung richteten sich »gegen die friedliche Protestbewegung«. Tatsächlich wurden in den vergangenen Wochen Hunderte Menschen festgenommen, weil man sie zu den Organisatoren der Proteste zählte, bei ihnen Waffen vermutete oder fand. Geheimdienstkräfte bedrohen und schüchtern die Protestbewegung ein, die Zahl der gezielten Ermordungen durch Scharfschützen hat in den letzten Tagen zugenommen.

Doch ein differenzierter Blick ist angeraten, sagt Samir Aita, Chefredakteur der arabischen Ausgabe von »Le Monde Diplomatique« im Gespräch mit der Autorin. Aita ist ein scharfer Kritiker des syrischen Regimes und führt die Unruhen vor allem auf ein wirtschaftliches Versagen und auf politische Fehler von Präsident Baschar el-Assad zurück. Gleichzeitig zeigt er auf, dass es viele Strömungen in der Protestbewegung gibt, unterschiedliche Ziele, keine Führung und keine Perspektive.

»Um der Wahrheit willen muss man sagen, ja, es gibt bewaffnete Gruppen«, meint Aita. In manchen Gegenden gebe es historisch bedingten Hass auf das Regime, wie in Dschisr al-Schugur und in Hama, wo man die blutige Niederschlagung des Aufstandes der Muslim-Bruderschaft (1979-1982) nicht vergessen habe. Entlang den Grenzen zu Irak, Libanon und der Türkei seien Gruppen mit Waffen versorgt worden, um gegen den Staat zu kämpfen. »99 Prozent der Aufstandsbewegung sind mutig, friedlich und voller Humor«, so Aita, der die Zahl der bewaffneten Gruppen als »klein« einschätzt. Doch »natürlich gibt es Leute die wollen, dass Syrien in einem Religionskrieg versinkt.«

Das militärische Vorgehen in dem palästinensischen Flüchtlingslager Al-Ramle al-Janoubi in Latakia wird von offizieller Seite mit Angriffen der islamistischen Gruppe Jund al-Scham begründet. Erstmals hörte man von dieser Gruppe 1999 in Afghanistan, eine Gruppe gleichen Namens tauchte auch in palästinensischen Flüchtlingslagern in Libanon auf und war 2007 dort an den Kämpfen mit der libanesischen Armee beteiligt. Kämpfer von Jund sollen sich später in das Flüchtlingslager in Latakia abgesetzt haben. Syrien ist in den letzten Jahren wiederholt gegen vermutliche Mitglieder von Jund vorgegangen.

Die Küstenregion gilt als Schmuggler»pfad«, auf dem seit Jahrzehnten Waren aller Art zwischen der Türkei, Syrien, Libanon, Jordanien und Saudi-Arabien verschoben werden. Viele haben hier viel Geld verdient, Syrer wie Nicht-Syrer.

Auf einen anderen Aspekt – den der »bewaffneten Gruppen« in Syrien verweist die kanadische Internetplattform »Global Research« (www.globalresearch.ca) und bringt einen alten Pentagonplan zur Destabilisierung von Staaten in Erinnerung. Die so genannte »Salvador Option« wurde in den 80er Jahren in Lateinamerika vom US-Botschafter in Honduras, John Negroponte, eingeführt, der seit dem Vietnamkrieg auf den Einsatz von Todesschwadronen setzt. Nachdem Negroponte 2004/05 US-Botschafter in Bagdad wurde, tauchten auch dort Todesschwadronen auf, die für Entführungen und gezielte Morde verantwortlich gemacht werden. Keines dieser Verbrechen wurde aufgeklärt. Mitarbeiter von Negroponte in der Botschaft in Bagdad sei damals Robert S. Ford gewesen, der heutige US-Botschafter in Damaskus.

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