Shakespeare-Comedy

Vertrautes und Geklautes

  • Peter Kirschey
  • Lesedauer: 2 Min.

Man nehme eine zauberhafte Kiste, treibe einen ehrwürdigen britischen Dichtergenius hinein, gebe ein paar Welthits von Queen, Michael Jackson oder ABBA hinzu und lasse das Ganze kräftig durcheinanderschütteln – fertig ist »Shakespeare's Musical Comedy«. Die Show fegt momentan im Estrel Festival Center in Neukölln über die Bühne. Die Geschichte ist einfach gestrickt und schnell erzählt: Shakespeare will die griechische Muse der Komödie, Thalia, davon überzeugen, dass er, William, ein begnadeter Stückeschreiber ist. Und das Vollweib Thalia gibt dem armen Poeten drei Chancen, um sein Talent unter Beweis zu stellen.

Mit einer kleinen, feinen Schauspieltruppe, die laut Drehbuch aus etwas unerfindlichen Gründen untalentiert sein soll, startet der Meister sein Unterfangen. Am Ende überzeugt er, wie sollte es anders sein, die griechische Götterwelt von seinem Können. Die sieben Schauspielersänger schlüpfen dabei in mehrere Rollen, wirbeln kreuz und quer über das Parkett, tauchen ab und wieder auf in der überaus wandlungsfähigen Kiste. Bis zur Halbzeit kommt Shakespeare nicht so richtig aus der Knete und Muse Thalia will sich so gar nicht mit dem aufstrebenden Schreiberling anfreunden.

Erst im zweiten Teil fegen Miranda, Jago, Romeo, Cassio oder Julia stimmgewaltig über die Bühne und erinnern daran, dass es hier um den britischen Dichterfürsten geht. Richtig Stimmung im Saal kommt erst auf, als Othello im Eifersuchtswahn seiner heiß geliebten Desdemona an die Gurgel geht und er sich dann selbst ins Jenseits befördert. Doch da ist die Show schon fast vorbei.

Garniert wird das Spektakel mit Sprüchen des Meisters: »Lust verkürzt den Weg«, »Nicht jede Wolke erzeugt ein Ungewitter«. Und auch dieses ist dabei: »Der Rest ist Schweigen«. Etwas Vertrautes, etwas Geklautes, etwas Graziöses, etwas Pompöses – so beschreibt die tanzende, singende Truppe ihre Veranstaltung. Da hat sie wohl recht. Fazit: Wer Shakespeare sucht, der muss schon sehr tief graben. Wer aber zwei Stunden bunte Show mit Welthits der letzten fünf Jahrzehnte erleben, sich einfach entspannen will, der ist im Estrel bestens aufgehoben.

Bis 4. September, Estrel, Sonnenallee 225, Karten zwischen 21 bis 48,50 Euro, Infos und Karten unter der Tel.: (030) 68 31 68 31

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