CDU hat Schönefeld so nicht gewollt

Fraktionschefin denkt schon über neuen Airport-Standort nach

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast scheint es, dass der neue Flughafen in Schönefeld nur noch von Politikern gebaut wird, die mit ihm große Probleme haben. Gestern hat CDU-Fraktionschefin Saskia Ludwig den beinharten Pro-Schönefeld-Kurs ihrer Partei deutlich aufgeweicht. Sie räumte ein, dass die Wahl des Flughafenstandorts Schönefeld nicht optimal war.

Unter dem Eindruck einer Bürgerversammlung am Vortag in Rangsdorf sagte Ludwig, mit Blick auf die jetzt bekannt gewordenen Auswirkungen hätte »wohl niemand« diesen Standort gewählt. Sollte eine Erweiterung des Airports zur Debatte stehen, müsse auch ein Wechsel des Standortes in die Überlegungen einbezogen werden. In diesem Falle dürfe es »kein Denkverbot« geben, ebenfalls nicht in Bezug auf eine Ausweitung des Nachtflugverbotes, erklärte Ludwig. Auf den Hinweis, dass es doch in erster Linie CDU-Politiker gewesen sind, die seinerzeit ihre Mehrheit in der Flughafengesellschaft nutzten, um Schönefeld als Standort durchzudrücken, schob Ludwig Manfred Stolpe die Verantwortung zu. Als damaliger Regierungschef habe der die Entscheidung für Schönefeld zu verantworten. Gegen ihn und sein »Nein« hätten sowohl Berlin als auch der Bund nichts machen können, fügte sie hinzu.

In den entscheidenden Sitzungen Mitte der 90er Jahre hatte Stolpe gegen den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, und Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (beide CDU) den kürzeren gezogen. Zuvor hatte das Raumordnungsverfahren, ausgearbeitet unter dem damaligen Umweltminister Matthias Platzeck (SPD), Schönefeld als den eindeutig am wenigsten geeigneten Standort bezeichnet und Sperenberg oder Jüterbog den Vorzug gegeben. Doch damit hatte Platzeck nicht nur die CDU und die FDP, sondern auch die Berliner Grünen gegen sich, die in Sperenberg eine Naturschutzzone erhalten wollten und für den Bau des neuen Flughafens in Schönefeld eintraten.

»Die CDU wollte Schönefeld, die SPD nicht«, erklärte gestern SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher und fragte: »Was bleibt von der CDU, wenn sie auch diese Position in Frage stellt?« Er warf der christdemokratischen Fraktionschefin vor, aus populistischen Gründen jetzt, wo es zu spät sei, eine andere Position zu beziehen.

Was die CDU derzeit treibe, sei »vollkommen unglaubwürdig«, sagte LINKEN-Fraktionsschefin Kerstin Kaiser. Jahrzehntelang habe die CDU einen Pro-Schönefeld-Kurs verfolgt und sei voller Ignoranz gegenüber den Folgen aufgetreten, »die schon damals absehbar waren«. Nun bemühe sich die CDU, die ablehnende Stimmung sich zunutze zu machen und der Regierung die Schuld für eigenes Versagen in die Schuhe zu schieben.

Mit Verständnislosigkeit reagierte auch FDP-Fraktionschef Andreas Büttner auf die neuen Töne aus der CDU. Standhaft weigerte er sich, die Frage zu beantworten, ob er mit den aktuellen Erkenntnissen noch einmal Schönefeld als Airport-Standort wählen würde. Dies stehe ebenso nicht zur Debatte wie eine weitere Einschränkung des Flugbetriebes in der Nacht. Beim Großflughafen handele es sich um einen wichtigen wirtschaftlichen Impulsgeber für die gesamte Region. »Es gibt gute Gründe, die Position nicht zu ändern. Es geht um Planungssicherheit. Und um die Frage, ob Politik verlässlich ist oder nicht.« Sicht Seite 9

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -