300 Euro weniger für die gleiche Arbeit
Mitarbeiter von Marzahner Pflegeheimen streiken
Seit über einer Woche wird in den drei Marzahner Heimen der Alpenland Pflegeheime Berlin GmbH & CoKG gestreikt. Während die Einrichtungen des Unternehmens im Westteil der Stadt und in Baden-Württemberg tarifgebunden sind, wird den Beschäftigten im Ostteil Berlins der Anschluss an das Tarifniveau verweigert. Und das mehr als 20 Jahre nach dem Mauerfall, sagt ver.di-Verhandlungs- führerin Meike Jäger. Betroffen sind ungefähr 210 Pflegekräfte, sie verdienen zum Teil bis zu 300 Euro monatlich weniger als ihre KollegInnen im Westteil der Stadt.
Seit 2005 dauert der Tarifstreit schon, im letzten Jahr gab es einen Warnstreik. Alle bisherigen Verhandlungen verliefen ergebnislos. Die Alpenland-Geschäftsführung beruft sich auf die fragliche Refinanzierbarkeit der Forderungen. Die ist laut Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales, Carola Bluhm (LINKE), jedoch gesichert, die Zusage von Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) liege vor.
Der Wille der Streikenden, den tariflosen Zustand zu überwinden, ist ungebrochen, obwohl der Arbeitgeber indirekt Druck auf sie ausübt. Das reicht von Versuchen, ihnen ein schlechtes Gewissen wegen der zu versorgenden HeimbewohnerInnen einzureden, bis hin zu dem Angebot, denen, die zum Dienst kommen, eine Belastungszulage zu zahlen. »Der blanke Hohn, plötzlich ist Geld da«, ärgern sich die Streikenden. Diejenigen hingegen, die eingestellt werden, um die Lücken zu füllen, bekommen diese Zulage nicht. Bislang ging der Spaltungsversuch nicht auf. Auch BewohnerInnen und die meisten Angehörigen unterstützen die Aktion.
Die Versorgung der HeimbewohnerInnen ist trotz des Streiks gesichert. Plötzlich werden die Dienste so besetzt, wie es vorher nicht möglich war. Jetzt stehen sogar Servicekräfte für die Essensversorgung zur Verfügung.
Die Verbitterung ist den Mitgliedern der Streikleitung anzumerken. Denn es geht ihnen nicht nur um das Geld, sondern um ihre Arbeitsbedingungen und eine Wertschätzung der Altenpflege. Die Kürzung der Zeitkorridore für die verschiedenen Pflegemaßnahmen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen lasse gerade noch das kurz vor dem Strafbarmachen liegende notwendige Minimum an Versorgung zu, sagen sie. Dass Menschen nicht gleich sind in ihren Krankheitsbildern, das Befinden der Pflegebedürftigen nicht jeden Tag gleich ist, werde nicht berücksichtigt. Menschliche Zuwendung? Sie bleibe auf der Strecke. Der Anteil an bürokratischen Tätigkeiten steige. So sei es nicht verwunderlich, dass nicht wenige Beschäftigte einen Burnout erleiden.
Die Streikenden wünschen sich mehr öffentliches Interesse, schließlich gehe das Thema jeden an. Auch die Seniorenvereine könnten Unterstützung geben. Sozialsenatorin Bluhm und die Bezirksbürgermeistern von Marzahn-Hellersdorf, Dagmar Pohle (LINKE) sowie die Spitzen der Linkspatei im Bezirk haben dies bereits zugesagt, der Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Senioren in der Bezirksverordnetenversammlung beschäftigt sich mit dem Thema. Im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhaus wird es eine Anhörung geben.
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