Haus am Waldsee
Bündnis mit der Natur
Nomaden in den Weiten der mongolischen Steppe, japanische Seetang-Sammlerinnen, vermummte Elitesoldaten in den verschneiten Wäldern Südnorwegens: Für ihre eindringlichen Porträts reist die Fotografin Mette Tronvoll an die Ränder der Zivilisation und nimmt die Menschen auf, die dort leben – nicht als exotische Fremdlinge, sondern mit Respekt und offenem Blick. »Auf Augenhöhe« lautet denn auch der Titel der Ausstellung im Haus am Waldsee.
Wie gut dieser Titel die Arbeitsweise der norwegischen Künstlerin trifft, zeigt sich in den Fotografien von badenden Grönländern jeder Altersklasse, entstanden in dem für seine Thermalquellen bekannten Ausflugsort Isortoq: Um die Kamera nicht von oben auf die bis zu den Schultern in den heißen Quellen Stehenden richten zu müssen, stellte Mette Tronvoll ihr Stativ kurzerhand ins Wasser. Die so entstandenen Bilder zeigen entspannte, fröhliche Menschen vor einer leuchtenden Tundralandschaft – Porträts einer Gegend ebenso wie der Individuen, die sie bewohnen. Eindringlich und poetisch sind die menschenleeren Gletscherfotos aus dem grönländischen Küstenort Unartoq.
Im Mittelpunkt dieser ersten Einzelausstellung mit Werken von Mette Tronvoll aber steht der Mensch – wobei sich die 46-Jährige, die zwischen Berlin und Oslo pendelt, besonders für jene interessiert, die abgeschieden in engem Bündnis mit der Natur leben. So wie die mongolischen Nomaden zwischen China und Russland, die Mette Tronvoll wochenlang begleitet hat. Die in dieser Zeit entstandenen Ganzkörperporträts zeigen Menschen zwischen uralter Tradition und Moderne – ein mongolischer Ringer in bestickter Tracht, eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn in karger Steppenlandschaft, eine nachdenkliche junge Frau in ihrem farbenfrohen »Gers«, wie die Jurten in der Mongolei heißen. Zwar zeigt ein Blick ins Innere der kreisförmigen Zelte neben ornamentalen Möbeln und Stoffen auch billige industrielle Massenware, und etliche der traditionellen Schafswoll-Umhänge sind Kapuzenjacken mit Reisverschlüssen gewichen. Doch faszinieren die würdevollen asiatischen Gesichter ebenso wie die Fremdartigkeit der Lebensweise.
Mette Tronvolls Fotografien bestechen durch Sachlichkeit und Respekt, nicht durch eine voyeuristische Suche nach Folklore; immer versucht sie, die Individualität herauszuarbeiten. Selbst die vermummten Elitesoldaten einer norwegischen Spezialeinheit im abgeschiedenen Militärcamp Rena wirken nicht wie anonyme, gesichtslose Wesen, sondern offenbaren sich durch gewollt heldenhafte Posen oder einen ernsten Blick hinter den Masken. Die jungen Männer posieren schwer bewaffnet in Kiefernwäldern oder einsamen Schneewüsten, je nach Jahreszeit in schwarzen, grünen oder hellen Tarnanzügen; einer sieht trotz seines Maschinengewehrs aus wie ein zerrupfter weißer Vogel.
Ganz auf ihre Arbeit fixiert, ohne Blick für die Kamera, agieren im Gegensatz dazu die japanischen Frauen bei der Algenernte in Goto-Fukue, einer vulkanischen Insel im Süden Japans: konzentriert sammelnde Gestalten in Ölzeug und Gummistiefeln vor grellgrün-schwarzer Küste, die in ihrer Farbintensität fast künstlich wirkt. Meditativ-zeitlose Landschaftsaufnahmen von Himmel und Meer ergänzen die Japan-Serie. Eine gelungene Schau.
Bis 28.August, Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30
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