Haus am Waldsee

Bündnis mit der Natur

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

Nomaden in den Weiten der mongolischen Steppe, japanische Seetang-Sammlerinnen, vermummte Elitesoldaten in den verschneiten Wäldern Südnorwegens: Für ihre eindringlichen Porträts reist die Fotografin Mette Tronvoll an die Ränder der Zivilisation und nimmt die Menschen auf, die dort leben – nicht als exotische Fremdlinge, sondern mit Respekt und offenem Blick. »Auf Augenhöhe« lautet denn auch der Titel der Ausstellung im Haus am Waldsee.

Wie gut dieser Titel die Arbeitsweise der norwegischen Künstlerin trifft, zeigt sich in den Fotografien von badenden Grönländern jeder Altersklasse, entstanden in dem für seine Thermalquellen bekannten Ausflugsort Isortoq: Um die Kamera nicht von oben auf die bis zu den Schultern in den heißen Quellen Stehenden richten zu müssen, stellte Mette Tronvoll ihr Stativ kurzerhand ins Wasser. Die so entstandenen Bilder zeigen entspannte, fröhliche Menschen vor einer leuchtenden Tundralandschaft – Porträts einer Gegend ebenso wie der Individuen, die sie bewohnen. Eindringlich und poetisch sind die menschenleeren Gletscherfotos aus dem grönländischen Küstenort Unartoq.

Im Mittelpunkt dieser ersten Einzelausstellung mit Werken von Mette Tronvoll aber steht der Mensch – wobei sich die 46-Jährige, die zwischen Berlin und Oslo pendelt, besonders für jene interessiert, die abgeschieden in engem Bündnis mit der Natur leben. So wie die mongolischen Nomaden zwischen China und Russland, die Mette Tronvoll wochenlang begleitet hat. Die in dieser Zeit entstandenen Ganzkörperporträts zeigen Menschen zwischen uralter Tradition und Moderne – ein mongolischer Ringer in bestickter Tracht, eine Mutter mit ihrem kleinen Sohn in karger Steppenlandschaft, eine nachdenkliche junge Frau in ihrem farbenfrohen »Gers«, wie die Jurten in der Mongolei heißen. Zwar zeigt ein Blick ins Innere der kreisförmigen Zelte neben ornamentalen Möbeln und Stoffen auch billige industrielle Massenware, und etliche der traditionellen Schafswoll-Umhänge sind Kapuzenjacken mit Reisverschlüssen gewichen. Doch faszinieren die würdevollen asiatischen Gesichter ebenso wie die Fremdartigkeit der Lebensweise.

Mette Tronvolls Fotografien bestechen durch Sachlichkeit und Respekt, nicht durch eine voyeuristische Suche nach Folklore; immer versucht sie, die Individualität herauszuarbeiten. Selbst die vermummten Elitesoldaten einer norwegischen Spezialeinheit im abgeschiedenen Militärcamp Rena wirken nicht wie anonyme, gesichtslose Wesen, sondern offenbaren sich durch gewollt heldenhafte Posen oder einen ernsten Blick hinter den Masken. Die jungen Männer posieren schwer bewaffnet in Kiefernwäldern oder einsamen Schneewüsten, je nach Jahreszeit in schwarzen, grünen oder hellen Tarnanzügen; einer sieht trotz seines Maschinengewehrs aus wie ein zerrupfter weißer Vogel.

Ganz auf ihre Arbeit fixiert, ohne Blick für die Kamera, agieren im Gegensatz dazu die japanischen Frauen bei der Algenernte in Goto-Fukue, einer vulkanischen Insel im Süden Japans: konzentriert sammelnde Gestalten in Ölzeug und Gummistiefeln vor grellgrün-schwarzer Küste, die in ihrer Farbintensität fast künstlich wirkt. Meditativ-zeitlose Landschaftsaufnahmen von Himmel und Meer ergänzen die Japan-Serie. Eine gelungene Schau.

Bis 28.August, Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!