Kleiner Nebenjob wird doch wohl gestattet sein

Arbeitsgericht verhandelte über die Kündigung eines Mitarbeiters des Liegenschaftsfonds

  • Lesedauer: 3 Min.
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen
Peter Kirschey aus Berliner Gerichtssälen

Ein Fall, der im Februar die Gemüter erregte, fand gestern vor dem Landesarbeitsgericht einen vorläufigen Abschluss. Damals machten Meldungen die Runde, im Liegenschaftsfonds, der für die Verwal-tung und den Verkauf landeseigner Immobilien verantwortlich zeichnet, würden Korruption und Vetternwirtschaft grassieren. Das Landeskriminalamt ermittelte gegen zwei Mitarbeiter, die neben ihren Anstellungen beim Liegenschaftsfonds für andere Immobilienunternehmen tätig gewesen sein sollen. Damit sei eine Interessenkollision zwischen der Arbeit beim Fonds und der »Nebentätigkeit« zu konstatieren.

Obwohl interne Ermittlungen beim landeseigenen Immobilienunternehmen ergaben, dass es keinen Zusammenhang zwischen Verkaufsverfahren des Liegenschaftsfonds und der Nebentätigkeiten gebe, wurde Werner J., dem für Verkauf zuständigen Teamleiter, mit Wirkung zum 30. September 2011 gekündigt und ihm die Auszahlung der »variablen Vergütung« verweigert. Das Unternehmen sah »schwere arbeitsrechtliche Verstöße« und ein »schwer geschädigtes Vertrauen«. Gegen diese Entscheidung hatte J. geklagt.

Laut Arbeitsvertrag von 2001 erhielt J. einen monatlichen Salär von 5500 Euro plus einer »variablen« Zulage von monatlich 2000 Euro. Dafür hatte er laut Vertrag seine ganze Kraft in den Dienst des Fonds zu stellen. Gleichzeitig wurde es ihm vertraglich gestattet, eine Nebentätigkeit als Rechtsanwalt auszuüben, Mandanten zu beraten oder sie vor Gericht zu vertreten. Alle anderen Nebenjobs hätten der Zustimmung bedurft. Werner J. war aber, wie die gestrige Verhandlung ergab, zwischen 2007 und 2009 Geschäftsführer von fünf verschiedenen GmbH im Bereich des An- und Verkaufs von Immobilien. Dieses hatte er nicht angemeldet. Darin sah der Liegenschaftsfonds unerlaubte Konkurrenztätigkeit. Wie viel J. für diese Jobs kassierte, spielte in dem Verfahren keine Rolle. Hier wäre als »Bestrafung« für die Nichtanmeldung der Nebentätigkeit eine Abmahnung angemessen, erklärte die Richterin. Hätte er sie angemeldet, wäre sie wahrscheinlich problemlos genehmigt worden, wie bei anderen Mitarbeitern des Fonds auch. Irgendwie stand im Raum, dass es beim Fonds völlig normal ist, an verschiedenen Stellen zu kassieren, obwohl man sich eigentlich verpflichtet hat, seine ganze Kraft dem Unternehmen zur Verfügung zu stellen.

Eine Abfindung werde J. definitiv nicht erhalten, erklärte der Anwalt des Liegenschaftsfonds, über andere Sachen könne man reden. Beispielsweise über den Kündigungstermin oder die Auszahlung der »Variablen«. Man zog sich ins Hinterzimmer zurück.

Am Ende der Verhandlung stand die Ankündigung der beiden streitenden Parteien, sich außergerichtlich zu einigen. Somit könnte das Verfahren ohne Urteil still beerdigt werden. Unter dem Strich ging es nicht um kriminelle Machenschaften – nur um ganz gewöhnlichen Kapitalismus. Geld machen, kassieren, noch mehr Geld machen. Mehr nicht. Übrigens soll J. zusammen mit seinem Kollegen einen Aufsatz für die Bundeszentrale für politische Bildung geschrieben haben. Der Titel: »Wirtschaftskriminalität im Einigungsprozess«.

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