Südafrika hadert mit der NATO und sich selbst
Zuma sieht die Libyen-Resolution missbraucht und wünscht Regierung der nationalen Einheit
Südafrika setzt immer noch auf eine Lösung des Konflikts, die auch Vertreter des alten Regimes in Libyen einschließt. Wie etwa im Falle Simbabwes befürwortet man am Kap eine Regierung der »nationalen Einheit«.
Andere afrikanische Staaten haben den Übergangsrat der Rebellen schon als neue legitime Regierung anerkannt. Darunter ist Nigeria, das wie Südafrika im UN-Sicherheitsrat für die Flugverbotszone gestimmt hatte. Afrikas bevölkerungsreichstes Land bedauert Gaddafis Niederlage offenbar nicht – und sieht sich darin einig mit einigen anderen Regierungen Afrikas, die die Rebellen inzwischen anerkannt haben. Oft genug hatte sich Muammar al-Gaddafi mit seinen Petrodollars in die Angelegenheiten anderer Staaten eingemischt. Nigerias Regierung hat gewiss nicht vergessen, dass der libysche Herrscher wegen des andauernden nigerianischen Konflikts zwischen Christen und Muslimen empfohlen hatte, das Land zu teilen.
Südafrika aber blockiert im UN-Sicherheitsrat die Freigabe eingefrorener libyscher Gelder, auf die der Westen drängt, damit die Rebellen rasch mit dem Wiederaufbau beginnen können. Die Regierung in Pretoria/Tshwane will den gegenwärtigen Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in Addis Abeba abwarten. Humanitärer Hilfe wolle man sich freilich nicht verweigern, sagte Außenministeriumssprecher Clayson Moyela. Dafür könne das Geld freigegeben werden, nicht aber für die Rebellen.
Südafrikas Haltung in der Libyenfrage ist gekennzeichnet von Vorsicht. Nach der Zustimmung zur Resolution des UN-Sicherheitsrates über die Flugverbotszone gab es viel Kritik im Land. Die Regierung habe Afrika an den Westen verkauft, hieß es. Präsident Jacob Zuma musste sich verteidigen: Nie habe man einem gewaltsamen Regimewechsel zugestimmt. Die NATO habe die UN-Resolution missbraucht. »Unser Vorgehen in Libyen hätte Leben gerettet«, sagte Zuma zur Rechtfertigung seiner Haltung und der Position der AU.
Kritiker wie der Journalist Eusebius McKaiser verweisen allerdings darauf, dass die AU selbst nie ein klaren Plan für die Lösung des Konflikts im nordafrikanischen Krisenstaat besaß, obwohl stets »afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme« gefordert würden. Tatsache ist überdies, dass die libyschen Rebellen die Vermittlungsvorschläge der AU von Anfang an zurückgewiesen haben, wohl auch deshalb, weil Zuma bei seinem Libyen-Besuch im April Gaddafi als »Brother Leader« bezeichnet hatte, glaubt jedenfalls Professor Shadrack Gutto vom Institut für Afrikanische Renaissance in Pretoria.
Der an der Universität Witwatersrand lehrende Politologe Achille Mbembe aus Kamerun betrachtet die südafrikanische Libyen-Politik als Zeichen einer wachsenden Entfremdung Afrikas vom Westen. Einmischung von außen wird nach den Erfahrungen des Kolonialismus in Afrika weithin abgelehnt. Ziele der Befreiungsbewegungen waren freie Wahlen und die Freiheit von Einmischung. Die demokratischen Freiheiten gingen allerdings vielerorts schnell verloren. Autoritäre Präsidenten dominieren die Politik in vielen Ländern bis heute – und sie pochen auf ihre Unabhängigkeit.
Auch für Südafrikas Afrikanischen Nationalkongress (ANC), kritisiert Adam Habib, Politikwissenschaftler an der Universität Johannesburg, sei »Nationalismus offenbar wichtiger als die Menschenrechte«. Dies erkläre auch, warum sich Südafrika im Jahr 2009 im UN-Sicherheitsrat nicht für eine Verurteilung Myanmars (Burmas) ausgesprochen habe, was Menschenrechtsaktivisten im In- und Ausland damals mit Bestürzung zur Kenntnis genommen hatten.
Die Krise in Libyen, die gespaltene Haltung Afrikas zum Gaddafi-Regime, darin sind sich Habib und Mbembe einig, zeigten die Aufgabe, vor der Afrika stehe: Nötig seien eine Verbindung von Nationalstolz und Menschenrechten, offene und demokratische Gesellschaften, frei von äußerer Einmischung. »Es ist nicht möglich, eines ohne das andere zu haben«, meint Habib.
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