Hexenjagd auf bayerisch
Innenministerium stellt Portal gegen »Linksextremismus« vor
Würde diese Geschichte nicht in Bayern spielen und wäre nicht Innenminister Joachim Herrmann (CSU) dafür verantwortlich, könnte man das Portal »Bayern gegen Linksextremismus« zu einer waschechten Satire erklären. Doch dem CSU-Innenminister ist die Angelegenheit äußerst ernst: Gemeinsam mit Kultusstaatssekretär Thomas Kreuzer hat Hermann Anfang der Woche ein neues Informationsportal vorgestellt, mit dem die bayerische Staatsregierung vor den Gefahren von links warnen will.
Zielgruppe des neuen Webauftrittes (www.bayern-gegen-linksextremismus.bayern.de) sind in erster Linie Schüler und Studenten, die nach Ansicht des Innenministers besonders bedroht seien. »2010 waren 86 Prozent aller Täter zwischen 14 und 21 Jahre alt. Knapp 60 Prozent waren Schüler und Studenten. Wir müssen also unsere Aufklärungs- und Präventionsarbeit gerade bei Jugendlichen noch weiter verstärken«, so Herrmann.
Erfahrungen mit derartigen Projekten hat man in Bayern mit einem ähnlichen Vorhaben sammeln können. Im Jahr 2009 ging mit »Bayern gegen Rechtsextremismus« ein Portal an den Start, welches auf dem ersten Blick dem Projekt gegen »Linksextremismus« zum Verwechseln ähnlich sieht. Dass dieser Umstand nicht von ungefähr kommt, zeigt eine Aussage Herrmanns, der die Gefahr von links genauso hoch wie von rechts einschätzt. Doch schon der eigene Beleg dieser Behauptung entbehrt jeder Grundlage. So weist die bayerische Polizeistatistik für das vergangene Jahr 372 »linksextremistisch« motivierte Straftaten aus und 1513 »rechtsextremistisch« motivierte Taten.
Für die Umsetzung des Informationsportals hat sich die Staatsregierung in Zusammenarbeit mit der bayerischen Landeszentrale für politische Bildungsarbeit und der Informationsstelle gegen Extremismus einiges einfallen lassen. So hat der Nutzer die Möglichkeit, sich auf einer interaktiven Karte Informationen zu linken Organisationen, autonomen Gruppierungen und deren Straftaten zu holen. Besorgte Eltern und Pädagogen erhalten einen Leitfaden, wie man sich verhält, falls die eigenen Kinder oder Schüler in die linke Szene abzugleiten drohen. In der Sprache des Innenministeriums klingt das dann wie ein Zitat aus einem schlechten Film über die Bundesrepublik zu Zeiten der RAF. »Wenn Ihr Kind aber in Kreise gerät, die unseren Rechtsstaat pauschal als ›kapitalistisches Fascho- und Bullensystem‹ diffamieren, eine Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung fordern und hierfür auch Gewalt als legitimes Mittel betrachten, sollten Sie hellhörig werden.«
Das von einer schwarz-gelben Regierung regierte Bayern sieht sich von einer Vielzahl von Vereinigungen bedroht, darunter die Linkspartei, welcher man pauschal eine »Nähe zum Marxismus-Leninismus« unterstellt. Die Beweisführung dazu beruht im Wesentlichen auf dem letzten Verfassungsschutzbericht des Freistaates, der im Gegensatz etwa zu den Behörden in Ostdeutschland, noch immer an einer Überwachung der LINKEN festhält. Neben der Linkspartei werden auch die DKP und MLPD als »linksextremistisch« benannt.
Auch vor den 700 bayerischen Mitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) wird auf der Webseite ausdrücklich gewarnt, da diese einen »kommunistisch orientierter Antifaschismus verfolge«. Erwähnt wird beispielsweise Ernst Grube, welcher sowohl Mitglied der VVN- BdA als auch der DKP ist.
Im Gegensatz zum bayerischen Verfassungsschutz hielt dies aber etwa die Stadt München nicht davon ab, Grube im Jahr 1992 eine Verdienstmedaille für »seine besonderen Verdienste um die Erinnerungsarbeit zur Rolle Münchens im Nationalsozialismus« zu überreichen. Der inzwischen 78-Jährige ist Sohn einer Jüdin und eines evangelischen Sozialisten und hat das Konzentrationslager Theresienstadt überlebt, worüber er bis heute als Zeitzeuge in Vorträgen berichtet.
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