In den grünen Falten, da planten Generäle
Ein Kloster in Rheinland-Pfalz steht finanziell vor dem Ruin
Wenn nicht noch ein Wunder geschieht, dann hat es am vorvergangenen Wochenende den letzten der traditionsreichen Himmeroder Markttage auf dem Gelände des im Landkreis Bernkastel-Wittlich angesiedelten Zisterzienserklosters gegeben. Die fast 900 Jahre alte Abtei im Tal der Salm hat für ihre Wirtschaftsbetriebe die Insolvenz beantragt. Das Kloster steht vor der Pleite.
Es war noch einmal so wie all die Jahre zuvor: Einige Tausend Besucher waren zu dem Bauern-, Kunst- und Handwerkermarkt in das Eifelkloster gekommen. An den Marktständen gab es regionale Produkte aus der Landwirtschaft und Kunsthandwerk. Auch im Angebot: Himmeroder Forelle, der Mönchskloß, Wildgulasch und Ziegenkäse. Und natürlich war auch Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) wieder dabei.
Die Nachrichten der vergangenen Tage trübten trotz prächtigem Wetter bei nicht wenigen die Stimmung. Am Tag vor dem Fest hatte der Südwestrundfunk gemeldet, dass die geplante Gründung eines Fördervereins für das Kloster »überraschend in letzter Minute geplatzt« sei. Angesichts eines Defizits von zuletzt jährlich mehr als 200 000 Euro hatte, so die Information, die Kongregation der Zisterzienser wohl schon keine Hoffnung mehr, und die übergeordnete Abtei Marienstadt hatte die Gründung eines Fördervereins abgelehnt. Das könnte auch das Aus für den Wirtschaftsbetrieb des Klosters und den Bauernmarkt bedeuten. Die Schönheit des Ortes »in den grünen Falten am fließenden Wasser« hatte im Jahre 1135, so die lyrische Klosterdarstellung, Bernhard von Clairvaux »höchstpersönlich« veranlasst, »seine geistlichen Söhne« auszusenden, nachdem er sich selbst »von der idealen Lage des Talkessels zwischen Kunowald, Salm und sanften Anhöhen überzeugt hatte«.
»Sogar mit Atombomben«
Es war wohl diese weltabgeschiedene Lage, die 815 Jahre später, im Oktober 1950, eine entschlossene Männerschar in das Kloster einrücken ließ, folgend dem Leitspruch des Klosters: »Porta patet cor magis – ein Tor tut sich auf, das Herz noch mehr.« Seitdem hat der Ort seinen festen Platz in der Geschichte der Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. 15 hohe Offiziere, darunter zehn Generäle und Admirale, die, so die Wochenzeitung »Die Zeit«, »bis zum Kriegsende hitlertreu waren«, verfassten hier unter konspirativen Bedingungen ein Schriftstück. Von der Außenwelt abgeriegelt, vom 5.im 9. Oktober 1950, verfertigten sie im Auftrag des ersten Bundeskanzlers, Konrad Adenauer (CDU), eine »Denkschrift über die Aufstellung eines deutschen Kontingents im Rahmen einer internationalen Streitmacht zur Verteidigung Westeuropas«.
Diese »Himmeroder Denkschrift« ist die eigentliche Gründungsurkunde der Bundeswehr. Die »Militärelite des Ostfeldzugs« konzipierte hier, so das Hamburger Blatt, die »Bewaffnung der westlichen Besatzungszonen«, eine »klassische Massenarmee«, die »von vornherein offensiv« eine Verteidigung mit »Interventionen im Hinterland des Gegners« vorsah, »sogar mit Atombomben«.
»Starkes Bollwerk«
Sieben Autoren des Himmeroder Dokuments erhielten in der Zeit nach der Gründung der Bundeswehr hohe Posten in der neuen Armee und in den Stäben des Nordatlantikpaktes (NATO). Zwei machten Karriere beim Bundesnachrichtendienst.
Nach ihrer schmählichen Niederlage hatten sie sich schnell ihrer ordensgeschmückten Nazi-Uniform entledigt und sich in den Dienst der westlichen Siegermächte gestellt. Die waren vor allem an den Ost-Erfahrungen der Herren interessiert und hatten ihnen – u.a. in der »Historischen Abteilung« und anderen klandestinen Einrichtungen – Zeit und Auskommen gegeben, Studien darüber zu verfassen, wie mit deutschen Truppen ein »starkes Bollwerk gegen den Bolschewismus« zu errichten sei. Alles unter dem Dach US-amerikanischer Geheimdienste.
Adolf Heusinger, die Nummer eins im Eifelkloster, diente dort z. B. als Agent unter dem Tarnnamen »Dr. Horn«. Vor 1945 war er u. a. Chef der Operationsabteilung des Generalstabes des Oberkommandos der Wehrmacht und ab 1957 erster Generalinspekteur der Bundeswehr. Ex-Generalleutnant Hans Speidel war dabei, später Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte Europa Mitte, wie sein Nachfolger, der ebenfalls durch die Schule des faschistischen Generalstabes gegangene Johann Adolf Graf von Kielmansegg. Dabei war auch Ex-Generalstäbler Friedrich Foertsch, der 1934 für die Wehrmacht den persönlichen Eid des »unbedingten Gehorsams« auf die Person Hitlers formuliert hatte. Er brachte es zum Generalinspekteur und Chef des Führungsstabs der Bundeswehr.
Am 10. September 2008 marschierte die Bundeswehr – jetzt offiziell und mit viel Getöse – im Kloster auf: Erstmals wurden hier, feierlich mit dem Segen der Mönche versehen, Rekruten vereidigt. Der Ort, so lautet die offizielle Begründung, wurde aufgrund seiner »Bedeutung für die deutsche Geschichte« ausgewählt.
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