Drei Stunden Preußenrummel

Rbb langweilt Zuschauer mit einer Hochzeitsübertragung / Ein Prinz zum Vorzeigen

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Ein 35-jähriger Betriebswirt heiratete am Sonnabend in der Potsdamer Friedenskirche eine 33-jährige Betriebswirtin. Das rbb-Fernsehen berichtete drei Stunden lang live. Immer wieder betonten Kommentatoren, wie doch das Paar so schön normal sei. Dabei hätte der Sender seine kostbaren Sendeminuten niemals für eine teure Übertragung geopfert, wenn tatsächlich ein Otto Normalverbraucher seine Hertha Musterfrau geehelicht hätte. Dafür mussten es schon Georg Friedrich Prinz von Preußen und Sophie Prinzessin von Isenburg sein, denn für Adelshochzeiten hat ausgerechnet das öffentlich-rechtliche Fernsehen ein besonders großes Herz. Damit versucht es, Quote zu machen.

Dabei sind Georg Friedrich und seine Sophie streng genommen gar nicht von edlem Geblüt. Denn der Adel und seine Privilegien wurden in Deutschland bereits 1919 abgeschafft. Prinz von Preußen gilt seither als ein gewöhnlicher Familienname. Kaiser Wilhelm II. stürzte sein Volk in den blutigen Ersten Weltkrieg. Er musste abdanken. Wäre es nicht so gelaufen, wäre Georg Friedrich allerdings jetzt unsere Kaiser und wir würden ihm Gehorsam schulden. Dann dürfte sich die Berliner Abgeordnete Alice Ströver (Grüne) vielleicht nicht erdreisten, gegen die Verschwendung von Programmmitteln für diese Live-Übertragung zu wettern, und einige brandenburgische Landtagsabgeordnete der rot-roten Koalition bekämen für ihre ähnliche Kritik wahrscheinlich Schwierigkeiten. Der rbb wäre womöglich zur Hofberichterstattung gezwungen. So aber tut er es am Sonnabend aus freien Stücken; mit der unsinnigen Bemerkung, das Hochzeitspaar sei unbekannt, aber beliebt.

Ausgezeichnete Journalisten verpulvert der rbb für eine handwerklich gut gemachte und doch peinliche Einspielung. Redakteur Dirk Platt und sein Team stellen das Paar vor, zeigen es beim Flanieren, die Sonne im Gesicht, die Friedrichskirche im Hintergrund, Arm in Arm, glücklich lächelnd in Nahaufnahmen – wie süß! ARD-Adelsexperte Rolf Seelmann-Eggebert schwafelt Belangloses, wie es zu erwarten war. Besonders begeistert ihn, dass Modemacher Wolfgang Joop sich vor der Kamera über das Brautkleid auslässt. Das habe er noch nie erlebt, freut sich Seelmann-Eggebert wie ein Kind. Sonst sei das Aussehen des Brautkleids bei Adelshochzeiten ein vorher streng gehütetes Geheimnis. Designer Joop hatte die Probleme geschilderte, die 60 Meter Stoff für das vom Rokokostil angehauchte Brautkleid in ein spezielles »antikes Weiß« zu färben.

Der Militarismus, der den Staat bestimmte, das schlagkräftige Heer, das Preußen zur Großmacht aufsteigen ließ, die Kriege, die Länder in Trümmern zurückließen, und der letzte Kaiser, der während der Weimarer Republik im holländischen Exil auf die Nazis setzte, weil er vergeblich hoffte, Hitler würde ihm seinen Thron zurückgeben – dies alles findet immerhin Erwähnung. Doch es wirkt ein wenig, als sei dies immer nur die Einleitung für eine Relativierung. Denn da sei ja noch die religiöse Toleranz gewesen und außerdem habe Georg Friedrich so gar nichts mit den schrecklichen Seiten seines Geschlechts zu tun. Das stimmt ja auch. Der Mann wohnt statt in einem Schloss in einer Wohnung und träumt im Gegensatz zu seinem Großvater nicht mehr von der Krone. Georg Friedrich ist zwar Bundeswehrmajor der Reserve. Nicht beim Militär gedient zu haben, wäre für einen Hohenzollern wohl doch undenkbar. Aber zur Hochzeit erscheint Georg Friedrich in Zivil. Kein Schicki-Micki, kein Standesdünkel, wohltätiges Engagement, sympathisches Auftreten: ein Prinz von Preußen zum Vorzeigen.

Nach einer Stunde Übertragung sind alle Gäste eingetroffen und die Zeremonie beginnt. Nun wird es erst richtig langweilig, und es wäre höchste Zeit, die Flimmerkiste abzuschalten. Endlich tauschen die Brautleute die Ringe. Aber noch ist es nicht geschafft. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) darf vor der Kirche noch in eine Kamera schwärmen, wie romantisch es doch gewesen sei. Preußen werde leider oft mit dem Stechschritt verbunden, aber Preußen stehe auch für andere Werte wie Toleranz, Rechtsstaat und Bildung für möglichst viele.

Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, behauptet, es gebe keinen Preußenkult mehr, und besuchte doch gerade eine derartige Veranstaltung.

Es sind weniger Zaungäste gekommen als gedacht. Sie haben also freie Sicht, die Frauen, die nach prächtigen Kleidern Ausschau halten und selbst gern einmal Prinzessin wären, und der Mann, der verrät, er wünsche sich die Monarchie zurück. So weit wird es aber nicht kommen. Dafür spricht allein, dass der »bekennende Republikaner« Matthias Platzeck bei seiner Ankunft mehr Applaus erhielt als der Prinz von Preußen. Platzeck ist schließlich nicht nur beliebt, sondern auch bekannt.

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