Panne zwingt zur Korrektur

Moskau muss sein gesamtes Raumfahrtprogramm neu ausrichten

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.

Die gute Nachricht: Umweltschützer und die oberste Sanitätsbehörde haben keinerlei Spuren von Raketentreibstoff in den Flüssen und Seen der Altai-Region an der Grenze zur Mongolei feststellen können. Umweltschützer von Greenpeace hatten Alarm geschlagen, nachdem dort am 24. August ein unbemannter Raumtransporter vom Typ Progress M-12M abgestürzt war. Der Transporter sollte die Besatzung der Internationalen Raumstation ISS mit Nachschub – darunter auch Sauerstoff – versorgen, war jedoch schon sechs Minuten nach dem Start vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan vom Kurs abgekommen.

Zwar besteht durch den Unfall – der erste mit einem Transporter dieses Typs, der seit über dreißig Jahren eingesetzt wird – keine direkte Gefahr für die sechs Astronauten, die derzeit an Bord der ISS sind. Dennoch – und das ist die schlechte Nachricht – zwingt die Panne Moskau dazu, das gesamte Raumfahrtprogramm zu korrigieren. Gestern wurde bekannt, dass ein neuer Transporter statt wie geplant am 8. September erst acht Tage später zur ISS starten kann.

Auch bemannte Flüge verzögern sich, weil die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos zunächst die Ursachen für den Absturz des Transporters klären will. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen versagten die Triebwerke der dritten Stufe der Proton-Trägerrakete. Eindeutige Schuldzuweisungen sind aus Sicht kritischer Experten jedoch erst nach Untersuchung der Trümmer des Wracks möglich. Die aber wurden bisher nicht gefunden.

Für die drei zeitweilig auf der ISS stationierten Forschungsastronauten – zwei Russen und einen Amerikaner – verlängert sich der Aufenthalt im All daher um mindestens eine Woche. Auch der Start einer neuen zeitweiligen Besatzung, der für den 22. September geplant war, wird, wie gestern bekannt wurde, auf ein späteres Datum verlegt. Momentan ist von Ende Oktober die Rede. Und die derzeitige Stammbesatzung – sie besteht aus dem Russen Sergej Wolkow, dem US-Amerikaner Michael Fossum und dem Japaner Satoshi Furukawa – wird frühestens Ende November zur Erde zurückkehren.

Kurzzeitig war sogar eine Variante im Gespräch, die vorsah, die Internationale Raumstation vorübergehend menschenleer durchs All düsen zu lassen. Doch dagegen sträubte sich Roskosmos aus Prestigegründen mit Händen und Füßen. Eine Evakuierung hätte den Ruf des Unternehmens weiter ramponiert. Denn die Panne mit dem Transporter ist bereits der fünfte Fehlstart in den letzten neun Monaten.

Weil die Treibstoffmenge falsch berechnet worden war, stürzten im letzten Dezember drei Satelliten für das neue russische Glonass-Navigationssystem in der Nähe von Hawaii in den Pazifik. Und im Februar wurde der militärische Überwachungssatellit Geo-IK-2 auf einer falschen Erdumlaufbahn platziert. Für das Militär war er dadurch nicht nutzbar. Auch der Telekommunikationssatellit Express-AM4 kam Mitte August auf eine falsche Umlaufbahn. Das ärgerte vor allem die Politiker und die Bewohner von Russisch-Fernost. Denn der vom Weg abgekommene Satellit gilt als besonders leistungsfähig und sollte den Zugriff auf Dutzende TV-Programme in bester Qualität ermöglichen.

Derzeit können in weiten Teilen der Region nur zwei Sender empfangen werden. Und wenn es bei Seifenopern »extrem spannend« wird, setzt häufig Bildrauschen ein.

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