In Libyen geht es nicht nur um Geld

Konferenz in Paris über Hilfe für demokratische Zukunft / Westen will seine Interessen sichern

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Amtssitz des französischen Präsidenten im Pariser Elysée-Palais findet heute eine Konferenz der Staats- und Regierungschefs jener Staaten statt, die Libyen beim Neuanfang als demokratischer Staat unterstützen wollen.

Eingeladen wurden mehr als 60 Länder, vor allem die europäischen EU- und NATO-Mitglieder und die USA, die arabischen Länder, aber auch Russland, China, Indien und Brasilien. Deutschland ist durch Bundeskanzlerin Angela Merkel vertreten. Die Repräsentanten des libyschen »Übergangsrates« werden ihre Vorstellungen über die künftige Entwicklung des Landes darlegen und ihre Wünsche an die ausländischen Partner unterbreiten. Diese wollen darüber diskutieren und möglicherweise auch schon konkrete Angebote machen. Dabei soll es sich aber ausdrücklich weniger um Wirtschafts- und Finanzhilfe als um Unterstützung beim Aufbau demokratischer Strukturen und der Herstellung von Recht und Ordnung im Land handeln.

Libyen sei ein reiches Land, hat der Übergangsrat in den vergangenen Tagen immer wieder betont. Es würde vollauf genügen, wenn die per UNO-Beschluss im Ausland eingefrorenen staatlichen Guthaben freigegeben werden. Sie werden von Experten auf 160 Milliarden Dollar geschätzt, davon allein 38 Milliarden in den USA. Bisher sind als »humanitäre Geste« kaum mehr als eine Milliarde Dollar freigegeben worden.

In der ersten Phase geht es in Libyen darum, die Versorgung mit Lebensmitteln, Wasser und Strom zu sichern, die Transport- und Kommunikationsnetze wiederherzustellen und eine elementare medizinische Betreuung zu gewährleisten. Dabei werden ausländische Helfer sowie technische und organisatorische Unterstützung willkommen sein. Problematischer ist schon die Wiederherstellung der Sicherheit und in diesem Zusammenhang das Einsammeln der Waffen, schon um unkontrollierte »Strafexpeditionen« und Racheakte zu verhindern.

Ob dazu ausländische »Ordnungskräfte« angefordert werden sollen, ist offenbar noch ein Streitpunkt im Übergangsrat, der selbst nicht mehr als ein Zweckbündnis verschiedenster Stämme und Interessengruppen ist und erst noch seine Fähigkeit unter Beweis stellen muss, den friedlichen Übergang zu einem neuen demokratischen Regime zu gewährleisten. Schließlich hat der Rat keine natürliche Legitimation im Land selbst und bezieht seine Macht weitestgehend aus der politischen und militärischen Unterstützung durch Frankreich und andere Staaten, die im Aufstand in Libyen die Chance sahen, mit Muammar al-Gaddafi einen unangenehmen und unbequemen Partner loszuwerden und nach vier Jahrzehnten wieder Einfluss auf das Land zu gewinnen.

Allerdings ist im westlichen Ausland die Furcht groß, dass der Übergangsrat zerfallen und radikal-islamistische Kräfte einen übergroßen Einfluss gewinnen könnten. Dann könnte statt eines parlamentarischen Systems und einer unabhängigen Justiz ein »Gottesstaat« mit islamischem Rechtssystem, der Scharia, entstehen. Um dem vorzubeugen, will vor allem Frankreich, das die UN-Resolution und die militärischen Angriffe der NATO initiiert hat und das bei den neuen Kräften in Libyen hohes Ansehen genießt, diese Position nutzen, um in Tripolis Weichen zu stellen.

Die Konzerne, die sich vom Wiederaufbau und der Modernisierung Libyens sowie von neuen Ölkonzessionen ein gutes Geschäft versprechen, werden sich vorläufig noch zurückhalten müssen, denn die Sicherung der politischen Grundlagen geht vor. Als Vorteil wird gewertet, dass die westlichen Staaten zwar zum Sturz des Gaddafi-Regimes mehr als 20 000 Lufteinsätze geflogen sind, aber keine regulären Bodentruppen ins Land geschickt haben. Dadurch sei eine andere Situation gegeben als in Irak, wo die USA-Truppen als Besatzer angesehen werden und der Kampf zwischen pro- und anti-amerikanischen Kräften seit acht Jahren einen blutigen Bürgerkrieg anheizt, der das Land nicht zur Ruhe kommen lässt.

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