Mit Ackermann und Gregor Gysi
Vor dem Schweriner Hauptbahnhof beendete die Nordost-LINKE ihre etwas verkorkste Wahlkampagne
Gegen Ende von Wahlkämpfen werden ja gern die etwas gröberen Argumente hervorgeholt – so ist es an diesem Freitagnachmittag auch bei der Linkspartei in Mecklenburg-Vorpommern: An der Bühne vor dem Schweriner Bahnhof, auf der die Landespartei ihren Wahlkampfabschluss begeht, prangen dicke Transparente – auf einem der Spruchbänder steht »E 10- Chaos = CDU«. Und für die, denen das noch nicht grob genug ist, hatte die LINKE ein riesiges hochformatiges Ackermann-Plakat auf dem Platz aufgehängt, befestigt an jener Hebebühne, auf der Wahlkampfchef André Brie bereits beim verregneten Kampagnenauftakt am 14. August in Rostock so lange ausgeharrt hatte.
Nun ist das seltsame Gezerre um den sogenannten Bio-Kraftstoff tatsächlich ein Ärgernis für jeden Autofahrer – gerade im Nordosten, wo man ohne Automobil kaum irgendwo hinkommt. Dennoch kann CDU-Spitzenmann Lorenz Caffier in etwa so viel für die Pleite mit den zehn Prozent Ethanol im Tank wie jeder andere Landespolitiker im Nordosten. LINKE-Spitzenkandidat Helmut Holter, der zusammen mit der Listenzweiten Simone Oldenburg ab 14.30 Uhr dem Publikum einzuheizen versucht, geht auf die Sache mit dem Kraftstoff auch gar nicht ein.
Holter beschwört vor allem den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, den Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) kürzlich als eine »Politik der Vergangenheit« bezeichnet hat. »Die Marktkräfte werden dieses Problem niemals lösen können«, ruft Holter dem Marktplatz zu. Sellering habe keinen Kompass für das Land. »Der Ministerpräsident agiert nach Stimmungen«, so Holter. Und die richtigen Stimmungen zu schaffen, hatte sich die Linkspartei vorgenommen.
Kurz, knackig und auf drei soziale Kernthemen konzentriert – so sollte der Wahlkampf im Land verlaufen. Dass die Themenwahl nicht schlecht war, zeigte denn auch der Verlauf der Kampagne: Besonders das unterirdische Lohnniveau im Land – laut Landeschef Steffen Bockhahn beträgt der Durchschnittslohn für die 40-Stunden-Woche 1500 Euro brutto, inklusive aller Besserverdiener – erwies sich als Thema, an dem niemand vorbeikam. Und bei dem die CDU, die einen Mindestlohn nicht nur auf Bundesebene weiter bekämpft, sondern auch auf Landesebene blockiert hat, genauso schlecht aussieht wie die Landes-SPD, die ihn als Kernstück eines Vergabegesetzes nicht durchsetzen konnte oder wollte.
Auch das Bildungsthema war allgegenwärtig im Land der Schulabbrecher und der laut Simone Oldenburg unübertroffenen sozialen Selektivität im Schulwesen. Und mit einer Reform der Kommunalfinanzen, deren Schieflage viel mit dem vermeintlichen Arbeitsmarktboom zu tun hat, der in Größenordnung auf »Aufstocker«- Lohnsubventionen beruht, hatte die LINKE ein zweites starkes Thema. Laut dem Schweriner Direktkandidaten Henning Förster kosten die Aufstocker die Kommunen im Land jährlich etwa 400 Millionen Euro – bei etwa 1,1 Milliarden, die die Kommunen derzeit vom Land zugewiesen bekommen.
Dass das alles nicht so recht gezogen hat und stattdessen über lange Strecken eine Retro-Debatte geführt werden musste, hatte seine Gründe innerhalb der Partei und ihrer derzeit so komplizierten Lagerlogik. Das aber, war von verschiedenen Seiten zu hören, müsse nach der Wahl einmal gründlich ausgewertet werden. Den Zuhörerinnen und Zuhörern auf dem vollen Schweriner Bahnhofsplatz ist das am Freitagnachmittag freilich egal. Sie sind gekommen, um Gregor Gysi zu erleben. Der erklärte dann auch endlich, was es mit diesem Ackermann auf sich hat.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.