Geld für Libyens neue Herren
Eingefrorene Auslandsguthaben werden freigegeben / Frankreich erwartet Gegenleistungen
Unter Vorsitz des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy und des britische Premiers David Cameron, der beiden Initiatoren der für Gaddafis Sturz entscheidenden NATO-Bombenangriffe, haben im Pariser Elysée-Palais Vertreter von 63 Staaten und internationalen Organisationen die aufständischen Rebellen und ihren Übergangsrat als legitime Herren des Landes anerkannt und ihre Unterstützung zugesagt. Mit ihrer Teilnahme an der Konferenz sind einige Staaten wie Russland, die Ukraine und Rumänien nun auch zu den »Freunden Libyens« gestoßen. Andere haben noch Vorbehalte gegen die neuen Herren in Tripolis, wie China, das nur einen Vizeminister schickte. Andere blieben demonstrativ ganz fern, Südafrika etwa. Um zu betonen, dass das Anti-Gaddafi-Bündnis kein Feldzug zur Vorherrschaft des Westens sei, hob Sarkozy auch ausdrücklich den Beitrag der arabischen Staaten Katar, Vereinigte Arabische Emirate und Jordanien hervor, die den NATO-Einsatz von Beginn an unterstützt hatten.
Um die unmittelbare Zukunft des zu großen Teilen kriegszerstörten Landes zu sichern, drängten die Vertreter des »Nationalen Übergangsrats« in Paris darauf, die Anfang des Jahres auf Beschluss der UNO gesperrten libyschen Auslandsguthaben freizugeben. Das haben ihnen die Konferenzteilnehmer zugesagt. So will Frankreich sofort 1,5 Milliarden Euro freigeben, Deutschland und die USA je eine Milliarde. Großbritannien hat schon eine Maschine der Royal Air Force mit neuen Dinar-Banknoten im Wert von mehr als 100 Millionen Euro nach Tripolis geschickt. Insgesamt wurden in Schottland Banknoten im Wert von 1,1 Milliarden Euro gedruckt, die nach und nach geliefert werden sollen, damit das neue Regime zunächst einmal die Staatsbediensteten bezahlen kann. Die Guthaben des libyschen Staates im Ausland werden auf etwa 100 Milliarden Dollar geschätzt; hinzu kommen noch die Gelder in unbekannter Höhe, die Gaddafis Clan ins Ausland geschafft haben soll.
All das soll dem libyschen Volk zurückgegeben werden, versicherte Sarkozy, der die Losung prägte: »Geld von gestern für Libyen von morgen«. Über die Neuverteilung der Bohrrechte für die Erdölvorräte und die Vergabe großer Aufträge des reichen libyschen Staates wurde auf der Konferenz noch nicht gesprochen, obwohl klar ist, dass viele Teilnehmer schon daran dachten – und nicht zu spät kommen wollen. Die Meldung der Zeitung »Libération«, wonach der Übergangsrat Frankreich schon im April 35 Prozent der Bohrrechte zugesichert habe, wurde von beiden Seiten dementiert. Allerdings findet es Außenminister Alain Juppé »völlig natürlich, wenn Libyen zuerst an die Staaten denkt, die ihm als erste geholfen haben«.
Alle an der Konferenz teilnehmenden Länder boten Hilfe beim Wiederaufbau der Infrastruktur und der Wirtschaft Libyens an, aber auch bei der Schaffung eines demokratischen Rechtssystems oder der Ausbildung von neuen Kräften zur Sicherung von Ruhe und Ordnung. Dafür dankten die Vertreter des libyschen Übergangsrates, machten aber zugleich deutlich, dass sie keine ausländischen Militärs auf dem Boden ihres Landes wollen. Entsprechend kündigte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon keine Blauhelm-Soldaten, wohl aber eine »humanitäre Mission der Vereinten Nationen« an.
Bundeskanzlerin Angela Merkel bot »akute und konkrete« Hilfe bei der Wiederherstellung der Wasserversorgung, der Krankenhäuser und des Verkehrssystems an, »längerfristige« bei der Infrastruktur und der »Schaffung politischer Strukturen« etwa bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung oder beim Aufbau der Polizei. Sie habe auch angeboten, »mit unseren Erfahrungen einer deutschen Diktatur zu helfen, Vergangenheit aufzuarbeiten«.
Als Antwort auf Besorgnisse wegen bekannt gewordener blutiger Vergeltungsakte gegen Vertreter des Gaddafi-Regimes oder der Misshandlung gefangener Militärs haben die Vertreter des Übergangsrates zugesichert, dass das neue Regime in Tripolis solche Handlungen verurteile und die Einhaltung der Menschenrechte garantieren werde.
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