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Steine für die Kulturgießerei
Ein erfolgreiches Begegnungszentrum in Schöneiche kämpft ums Überleben
Für viele Bürger in Schöneiche bei Berlin ist ihre Kulturgießerei so etwas wie ein Kultprojekt. In der »Kugi« treffen sich mehrere Generationen aus dem Ort, proben vier Theaterensembles, gibt es Filmtage, Konzerte, Lesungen und Diskussionen. Für Schüler gestaltet das Haus Thementage. Es ist zudem Ziel von Wanderungen, an dem Ungewohntes gemeinsam entwickelt wird.
Die Ateliers sind für jedermann zugänglich. Auf teils international besetzten Symposien werden über An- und Einsichten gestritten. Bildhauer-, Tanz-, Computer- und andere kreative Kurse sind reichlich ausgelastet. Übers Jahr kommen beinahe so viele Besucher in das Begegnungszentrum, wie der Ort Einwohner zählt. Das sind derzeit 12 200. Ein gutes Drittel der Besucher stammt aus der Region, auch aus Berlin. Und nun, nach 17 Jahren, soll mit dieser anerkannten Erfolgsgeschichte Schluss sein?
Das eher unauffällige Gebäude am Ortsrand hin zur B 1 macht äußerlich nicht viel her. Sollte es wohl auch nicht. Denn es wurde in DDR-Zeiten als eine Art geheime Asservatenkammer errichtet. In diesem Hause wollte das für die Beschaffung von Devisen zuständige Staatssekretariat Gemälde, hochwertigen Schmuck und andere Kunstgegenstände bunkern, um sie irgendwann irgendwo im Westen in gutes Geld umzumünzen. Der Bau wurde 1989 fertig, ohne seine ursprüngliche Bestimmung erlangt zu haben. Der Leerstand lockte den Verein Kultur- und Kunstinitiative Schöneiche in das Gebäude.
Das Haus wurde für Bedürfnisse der Bürger umgestaltet. Ab 1994 war es für alle geöffnet. Künstler fanden Ateliers und die Möglichkeit, ihre Werke auszustellen. Doch auf Dauer diktierten nicht guter Wille noch Enthusiasmus den Fortgang, sondern ganz nüchterne Geldprobleme. »Es gab wohl kein Jahr, in dem sich die ›Kugi‹ nicht von einem finanziellen Kollaps bedroht sah«, erzählt Geschäftsführer Frank Williges. Damit will man sich nicht abfinden.
Irgendwann im nächsten Jahr kann die »Kugi« zwar noch als Haus weiter fortbestehen, aber nicht mehr betrieben werden. Der Haushalt beläuft sich auf 154 000 Euro – ohne durchlaufende Kosten. Die Gemeinde ist mit rund 15 000 Euro beteiligt. Hinzu kommen Mittel aus der Jugendförderung sowie Projektfinanzierungen. Ein größerer Posten ist durch das Bundesprogramm »Mehrgenerationenhäuser« gedeckt. Dazu gibt es Mittel aus der Arbeitsmarktförderung. Das alles macht die Hälfte des Gesamtvolumens aus. Der Rest wird aus eigenen Einnahmen bestritten.
Inzwischen wurde aber die Arbeitsmarktförderung von der Bundesregierung um 45 bis 65 Prozent gekürzt, was weniger Arbeitskräfte bedeutet. Ob die Kugi im veränderten Bundesprogramm »Mehrgenerationenhaus« weiter berücksichtigt wird, bleibt fraglich. Die Förderung von vielseitigem Miteinander hat sich mehr zur Pflege der Alten hin orientiert, was freilich von einem Begegnungszentrum nicht geleistet werden kann. Gekürzte Förderprogramme bedeutet auch, dass Sponsoren aus der Kommune, die einen nicht geringen Anteil am Überleben der Kulturgießerei haben, auch anderweitig mehr gefordert sind. Die drei Hauptamtlichen auf einer Vollzeit- und zwei Teilzeitstellen arbeiten ohnehin für weniger als sechs Euro in der Stunde. Die Überstunden, die abends und an Wochenenden zwangsläufig anfallen, sind gar nicht eingerechnet.
Alles in allem ließe sich die Pacht an den Eigentümer, die Berliner Stadtgüter, weiter bezahlen. Allerdings würde lähmende Ruhe ins Haus einziehen, denn nach Abzug der Betriebskosten wie Miete, Strom, Gas, Gema-Gebühren, Versicherungen und Reparaturen am Gebäude bliebe kaum noch etwas übrig. Man verharre in dieser Lage nicht tatenlos, sagt Williges. Es soll eine weitere Nutzungsverdichtung stattfinden. Die Gastronomie soll als Einnahmequelle ausgeweitet werden. Es werden Einsparmöglichkeiten geprüft, Kursangebote ausgebaut. Ein Online-Ticket-System ist eingeführt. Karten sind jetzt auch an größeren Vorverkaufsstellen verfügbar.
Mit der Spendenaktion »(M)ein Stein für die Kulturgießerei« will man versuchen, 75 000 Euro zusammenzubekommen, um das Gebäude eventuell kaufen zu können. Für zehn Euro erwirbt man ein Tontäfelchen. Der Name des Förderers wird eingebrannt, der Stein an der Außenmauer des »Kugi«-Gebäudes befestigt. Die zehn Euro decken natürlich kaum die Kosten dafür. Insofern ist die Aktion eher von Symbolkraft, weiß Frank Williges. Höhere Summen seien notwendig.
Es sei jedoch abzusehen, dass all dies nicht ausreichen wird. »Ein breites Angebot an Kultur darf nicht mit der ökonomischen Elle gemessen werden«, denkt Williges. Hier setze die Verantwortung der Politik ein – im Land Brandenburg, im Landkreis Oder-Spree, in der Kommune Schöneiche –, um tragbare dauerhafte Lösungen für die Kulturgießerei zu finden.
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