Dieser Umgang mit Menschen ist nicht tragbar

SPD-Politikerin Daniela Kolbe: Bundestagsfraktion will das Asylbewerberleistungsgesetz ändern

  • Lesedauer: 4 Min.
Als heute vor 25 Jahren die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl gegründet wurde, trat sie gegen eine damals auftretende Tendenz zur Abschottung Deutschlands gegen Flüchtlinge ein. Seit der deutschen Wiedervereinigung und den politischen Veränderungen in Europa ist die Abschreckungs- und Abschiebepolitik zur Perfektion gebracht worden. Mit der SPD-Bundestagsabgeordneten Daniela Kolbe, in ihrer Fraktion unter anderem mit Migrationspolitik beschäftigt, sprach für ND Thomas Blum.

ND: Wäre es angesichts der sich an den Außengrenzen Europas abzeichnenden Katastrophe nicht notwendig, dem Asylrecht wieder zu seiner eigentlichen Funktion zu verhelfen?
Kolbe: Die Bundesregierung hält daran fest, dass der Staat, in dem der Flüchtling ankommt – wenn er denn ankommt –, sich auch um ihn kümmern muss. Die SPD-Fraktion stellt das in Frage, weil wir glauben, dass wir in Europa eine faire Lastenteilung benötigen, gerade wenn es zu größeren Flüchtlingsströmen kommen sollte. Wir tun das mit Blick auf die Situation, die sich zum Beispiel in Griechenland oder auch auf Malta seit Monaten abzeichnet.

Ist das eine neue Entwicklung in der SPD, dass sie jetzt plötzlich die Asylgesetzgebung reformieren will?
Es geht um die Frage, wie man das System so reformiert, dass man eine faire Teilung der Verantwortung für Flüchtlinge hinbekommt. Wir machen uns für Resettlement-Programme (Aufnahmeprogramm für Flüchtlinge – die Redaktion) stark. Seit Monaten beobachten wir doch, dass in Nordafrika sehr viele Flüchtlinge dauerhaft in Camps unterkommen. Darum hält es meine Fraktion für ein geeignetes Mittel, auch die Aufnahmeländer zu unterstützen und so dafür zu sorgen, dass Menschen wieder eine Perspektive bekommen.

Es ist in der EU so geregelt, dass Flüchtlinge in den Ländern festgehalten werden, in denen sie ankommen bzw. dass man sie rasch zurückschickt. Deutschland hat diese Regelungen mit initiiert, auch deshalb, damit Flüchtlinge unser Land nicht erreichen.

Deswegen stellt sich für mich zuerst die Frage: Wie eröffnet man diesen Menschen Möglichkeiten, dass sie nicht auf diese klapprigen Boote müssen? Und zweitens braucht es Hilfe auch für Menschen nach der Flucht. Resettlement ist hier ein probates Mittel, um Flüchtlinge dauerhaft aufzunehmen. Die Bundesregierung ist zwar in Worten schon so weit, zu sagen, dass das ein mögliches Instrument sei. Aber es fehlen die Taten. Das Resettlement-Programm, das diese Bundesregierung aufgelegt hat, besteht darin, 150 Flüchtlinge aus Malta aufzunehmen, was natürlich überhaupt keine Größenordnung ist für ein Land mit 82 Millionen Einwohnern.

Die Regierenden verwenden seit Jahren dieselben Begriffe: »Asylmissbrauch«, »massenhafter Zustrom«, Abschiebungen werden beschönigend »Rückführungen« genannt. Da wird ein ganzer Begriffsapparat aufgefahren, um Flüchtlinge zu diskreditieren. Hat die SPD dazu eine Meinung?
Ich würde Ihnen zustimmen darin, dass die jetzige Regierung sich Flüchtlinge vor allen Dingen unter einer Verwertungslogik anschaut und nicht so sehr unter dem Aspekt, dass da Menschen vor Krieg oder vor politischer Verfolgung geflohen sind. Das geht so nicht. Darum wollen wir uns in der SPD-Bundestagsfraktion das Asylbewerberleistungsgesetz noch mal genau anschauen und Verbesserungen für die Betroffenen organisieren: Was das Sachleistungsprinzip angeht, was die medizinische Versorgung angeht, was die Höhe der Regelsätze angeht.

Von dem, was Sie hier befürworten, ist aber auch in SPD-regierten Bundesländern nicht so schrecklich viel zu bemerken.
Die Residenzpflicht ist ein Bundesgesetz. Unsere Fraktion ist dafür, das zu reformieren. Reformiert und liberalisiert wurde es in Ländern wie Brandenburg, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern – alles Länder, wo die SPD in Verantwortung steht. Laut Bundesgesetz ist für Asylbewerber nur eine medizinische Notfallversorgung vorgesehen, psychologische Betreuung aber nicht. Da sehen Sie ja, dass da etwas im Argen liegt, denn viele Flüchtlinge haben traumatische Erlebnisse hinter sich. Hier ist die Bundesregierung gefragt.

Flüchtlingen wird weiter das Existenzminimum vorenthalten. Sie bekommen nach wie vor nicht einmal das, was Hartz-IV-Bezieher erhalten.
Wie bereits gesagt, als SPD wollen wir das Asylbewerberleistungsgesetz verbessern. 1992 ist der sogenannte Asylkompromiss zustande gekommen. Seitdem sind die Regelsätze für Asylsuchende nicht mehr erhöht worden, was dazu führt, dass sie im Moment bei unter zwei Drittel der Regelsätze für ALG-II-Empfänger liegen. Wenn CSU-Bundesinnenminister Friedrich weiter glaubt, dass man das Asylbewerberleistungsgesetz unverändert lassen kann, dann hat er ein anderes Rechtsverständnis als ich. Das Bundesverfassungsgericht hat die ALG-II-Regelsätze als verfassungswidrig eingestuft. Das gilt dann natürlich auch für die Leistungen für Asylsuchende, die ja viel niedriger liegen.

Die SPD selbst hat 1992 mit ihrer Zustimmung zum »Asylkompromiss« dazu beigetragen, dass die gegenwärtige Gesetzgebung so ist, wie sie ist. Seither hat es offenbar kein großes Bedürfnis der SPD gegeben, daran etwas zu ändern, immerhin hat sie sieben Jahre die Bundesregierung geführt.
1992 bin ich noch zur Schule gegangen. Ich habe das als sehr junger Mensch damals von außen betrachtet und fand die Haltung der SPD äußerst schwierig. Das geht mir im Rückblick auch heute noch so. Ich habe aber heute den Eindruck, dass sich in der SPD etwas geändert hat. Für uns, die SPD-Fraktion, ist dieser Umgang mit Menschen nicht tragbar und muss verbessert werden.

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