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... bis alle Freunde gefallen waren
Friedrich II. und eine kritische Auseinandersetzung mit dem Preußen-Bild in einem Doku-Drama
Den Stock vergisst Katharina Thalbach nicht für ihren Auftritt. Die Schauspielerin selbst braucht die Gehhilfe nicht. Für ihre Rolle als Alter Fritz ist sie unerlässlich. In der blauen preußischen Uniform des 18. Jahrhunderts und mit grauer Perücke posiert die Thalbach mit Tochter Anna am letzten Drehtag des Fernseh-Doku-Dramas »Friedrich – ein deutscher König« im Neuen Palais des Schlossparks von Sanssouci für die Fotografen. Das Erste sendet den unter Federführung des RBB produzierten Film am 16. Januar 2012 zum Auftakt des Preußenjahres in Brandenburg.
Die Thalbachs spielen den preußischen Monarchen in unterschiedlichen Lebensabschnitten. Anna, ebenfalls in blauer Uniform, aber mit schwarzer Perücke, den gegen seinen Vater rebellierenden Kronprinzen, der sich durch die schrecklichen Erfahrungen zu einem kalt kalkulierenden Machtmenschen wandelt. »Ich musste nicht lange nach der Figur suchen. Mir leuchtete die Not des jungen Mannes ein, der von seinem Vater niemals akzeptiert wurde. Friedrich hat uns quasi durch die Dreharbeiten geführt.«
Ihre Mutter verkörpert den König in fortgeschrittenem Alter. »Mich hat bisher eher die französische und englische Geschichte jener Epoche interessiert. Vom ollen Fritz kannte ich nur die Anekdoten meiner Großmutter und den Briefwechsel mit Voltaire. Ich würde mir wünschen, dass ein Austausch auf solch intellektuellem Niveau, so viel Humor und so viel Freude an Sprachspielerei heute noch gepflegt würde. Neu war für mich, wie Friedrich II. zielstrebig, teilweise auch hinterfotzig an seiner Karriere und seinem Ruhm gefeilt hat und mit welchem Ehrgeiz er die europäische Landkarte langfristig beeinflusst hat.«
Mit ihren kleinen Wissenslücken ist Katharina Thalbach nicht alleine. Nur ein Drittel der Deutschen könne Friedrich, Preußen und Sanssouci korrekt miteinander in Verbindung setzen, betont Dr. Jürgen Luh, Experte für den Alten Fritz bei der Stiftung Preußische Stiftung und Gärten. Die Zuschauer erwartet im Januar Spielszenen, die auf historischen Dokumenten beruhen. Nur ein Geheimnis konnten die Autoren Yuri Winterberg und Jan Peter nicht lösen: Warum Friedrich keine Nachkommen hatte. »Wir wissen nicht, ob er bi- oder homosexuell war oder wirklich an einer Geschlechtskrankheit litt, die ihn zeugungsunfähig gemacht hat, sondern nur, dass er Frauen hasste. Das zeigt sich darin, wie er seine Gattin vom Hof verbannt und dass er sie nie in seine neuen Schlösser in Potsdam eingeladen hat,« erzählt Winterberg. »Besonders geärgert hat ihn aber, dass seine drei größten Widersacher Maria Theresia, Katharina II. und die Pompadour Frauen waren.«
Anna Thalbach habe trotzdem eine große Sexszene. Mit hohem Aufwand wurden in den Schlössern und Gärten von Oranienbaum in Sachsen-Anhalt auch Szenen mit den Eroberungen Friedrichs in den zwei Schlesischen Kriegen und dem Siebenjährigen Krieg gedreht. »Der Film zeigt den Preis, den Friedrich II für seine militärische Erfolge zu zahlen hatte«, verspricht Winterberg. Zunächst seien die gewalttätigen Auseinandersetzungen für Friedrich eher ein Spiel gewesen, später hatte Friedrich keine Freunde mehr, weil sie alle gefallen waren.
Doch Krieg sei das normale Geschäft der Könige gewesen, Friedrich sei auch selbst stets mit in die Schlacht geritten, fügt Johannes Unger an, Leiter der Abteilung Dokumentation und Zeitgeschehen des RBB und betreuender Redakteur des Films. Er hat ein wachsendes Interesse an Preußen in Brandenburg entdeckt, wofür nicht zuletzt der Zuschauerzuspruch bei der Übertragung der Preußen-Hochzeit spreche. Er verspricht eine ambivalente, vielschichtige Darstellung der Persönlichkeit des Königs und seiner Rolle in der Geschichte, die sich auch kritisch mit dem ideologiebesetzten bisherigen Preußen-Bild auseinandersetze.
Zu dieser aktiven Reflexion soll auch der bewusst provokant gewählte Titel einladen – der frankophile Friedrich, der die deutsche Sprache als barbarisch empfand, habe sich selbst nie als deutscher, sondern stets als preußischer König gesehen, ist sich die Runde bei der Vorstellung des Projekts an historischer Stätte einig.
Ihm sei es nur um seine Eroberungen gegangen. Doch schon Zeitgenossen wie Johann Wolfgang von Goethe, der den Sieg über die Truppen des französischen Königs bei Rossbach als Wende in der deutschen Geschichte sah, hätten seine historische Leistung erkannt. Dies soll als Reflexion neben den Spielszenen einen gleichberechtigten Platz in »Friedrich – ein deutscher König« finden.
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