»Wir sind wir geblieben«

Carola Bluhm über die Bilanz von Rot-Rot

  • Lesedauer: 4 Min.
Carola Bluhm, Jahrgang 1962, ist seit Oktober 2009 Senatorin für Arbeit, Soziales und Integration in der rot-roten Senatskoaltion. Die Politikerin der LINKEN sieht die rot-rote Zusammenarbeit positiv und würde sie gerne fortsetzen.
Carola Bluhm, Jahrgang 1962, ist seit Oktober 2009 Senatorin für Arbeit, Soziales und Integration in der rot-roten Senatskoaltion. Die Politikerin der LINKEN sieht die rot-rote Zusammenarbeit positiv und würde sie gerne fortsetzen.

ND: In den Umfragen geht es für die Berliner Linkspartei in den vergangenen Wochen auf und ab. In manchen Befragungen rutschte die Partei sogar unter zehn Prozent. Dennoch schauen Sie ganz zuversichtlich aus.
Bluhm: Es gibt in der Stadt keine Wechselstimmung. Zugleich gibt es eine Menge, was gerade die LINKE als Motor dieser Regierung in den vergangenen zehn Jahren hinbekommen hat: das Zusammenwachsen der Stadt wäre ohne uns so nicht möglich gewesen. Auch die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse dieses Landes haben wir auf eine Grundlage gestellt, die uns wieder handlungsfähig macht. Herausgekommen ist eine lebenswerte Metropole mit sozialer Absicherung, die zugleich ein attraktiver Wirtschaftsstandort ist. Diese Erfolge der Linkspartei stimmen mich zuversichtlich, dass wir ein Wahlergebnis kriegen, bei dem man an uns nicht vorbeikommt.

Das klingt eher allgemein. Was wurde denn in der Koalition mit der SPD konkret von der LINKEN eingebracht?
Wir haben die Privatisierungswelle gestoppt und zum Beispiel Vivantes als größten Krankenhausstandort Europas saniert. Ähnlich gut ist es bei der Berliner Stadtreinigung (BSR) gelungen. Inzwischen diskutiert die ganze Stadt wieder über Rekommunalisierungen. Das ist das konkrete Ergebnis linker Politik. Genauso wie die Etablierung des Mindestlohns im Vergabegesetz oder die Schulreform mit der Einführung von Gemeinschaftsschulen und Abschaffung der Hauptschulen. Die SPD hätte diese Themen von alleine nicht angepackt.

Welche Erfolge rechnen Sie sich als Sozialsenatorin an?
In der Arbeitsmarktpolitik zum Beispiel den Öffentlich geförderten Beschäftigungssektor mit Jobs für Langzeitarbeitslose, die hohe Zahl an öffentlich finanzierter Ausbildung, die wir trotz leerer Kassen durchgesetzt haben, das Verbot der Dumpinggewerkschaften in der Leiharbeit. Der Paradigmenwechsel in der Berliner Flüchtlingspolitik geht auf uns zurück. Wir haben das Integrations- und Partizipationsgesetz auf den Weg gebracht, also ein Gesetz für mehr Gleichstellung von Migrantinnen und Migranten. Wir sind darüber hinaus im Kampf gegen Rechtsextremismus erfolgreich. Das haben wir geschafft, weil wir die Bundeskürzungen bei diesen Projekten kompensiert haben. Ähnlich sieht es im Kampf gegen Rassismus aus. Die LINKE reagiert auf die Probleme der Stadt. Das ist auch eine Frage des Stils, der Art, wie wir regieren: Wir sind wir geblieben. Das erkennt man auch an unseren Mehr-Demokratie-Initiativen, durch die wir das frühere Bürgerbeteiligungsmuffelland bundesweit an die erste Stelle gebeamt haben.

Beim erfolgreichen Wasservolksbegehren war die LINKE aber nicht gerade ein begeisterter Unterstützer ...
Das war uns vorher klar: mehr Bürgerbeteiligung führt zu unbequemen Debatten – Risiken und Nebenwirkungen eingeschlossen.

Viele Bürger sehen sich beim Thema Mieten von Rot-Rot im Stich gelassen. Ein paar Plakate im Wahlkampf »Mieter vor Wild-West schützen!« ändern daran auch nichts.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass auf der Bundesebene sehr, sehr viele Möglichkeiten des Mieterschutzes und der Mieterrechte nicht genutzt werden. Auf Landesebene ist der Handlungsspielraum eingeschränkt. Dennoch haben wir erhebliche Mittel in die Kieze gegeben, um eine soziale Mischung zu erhalten.

Sie spielen auf das Bund-Länder-Programm »Soziale Stadt« an.
Genau. Vor allem haben wir erreicht, dass das Programm stärker mit Arbeitsmarktförderung verknüpft wird. Wir weisen die SPD seit Jahren darauf hin, dass der Leerstand abnimmt und günstige Wohnungen vor allem in der Innenstadt kaum noch zu bekommen sind. Beim Börsengang der GSW konnten wir immerhin durchsetzen, dass die Einnahmen zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes verwendet werden.

Ihre Botschaft scheint bei SPD-Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer nicht angekommen zu sein, die jahrelang eine Wohnungsknappheit abstritt.
Stimmt. Die SPD entdeckt das Thema erst jetzt im Wahlkampf. Dennoch: wir haben gemeinsam einen Kompromiss beim Wohnraumgesetz erzielt, in dem es um sozialen Wohnungsbau geht. Die Ausweitung des Mieterschutzes bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen auf weitere Bezirke ist auch keine Kleinigkeit. Aber klar ist, dass das Thema Mieten eines der entscheidenden Themen der nächsten Legislaturperiode wird. Aktuell streiten wir mit der SPD ja über die Erhöhung der Mietrichtwerte für Hartz IV-Empfänger. Davon sind immerhin 600 000 Menschen in der Stadt betroffen. Mir ist unverständlich, warum sich die SPD da stur stellt und nichts gegen die Verdrängung von Mietern aus den Innenstadtbezirken unternehmen will.

Was will die LINKE in der nächsten Legislatur mit anschieben, falls es zu einer Mehrheit für eine Neuauflage von Rot-Rot reicht? Einfacher dürfte das Regieren nicht werden angesichts von Schuldenbremse und Defiziten.
Die Fachkräfteproblematik ist ein riesiges Zukunftsthema, die Anerkennung von ausländischen Berufsabschlüssen. Zudem gilt es den Zugang über den Berlinpass zu erweitern. Mehr Menschen die Chance zu geben, aus Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu wechseln. Auch die Qualität der öffentlichen Infrastruktur ist ein Thema. Genau wie die Qualität der Pflege. Das alles abzusichern, zu schützen, für die Leute so zugänglich wie möglich zu machen, das muss alles weitergehen. Und das geht nur mit uns weiter.

Fragen: Martin Kröger

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