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So viele linke Bürgermeister wie nie
Landesvorsitzender Nord sieht bei den Wahlen am Sonntag Chancen für seine Genossen
Es besteht die Chance, dass die LINKE in Brandenburg am Ende so viele hauptamtliche Bürgermeister stellt wie noch nie zuvor. Am Sonntag wird in 37 Städten und Gemeinden gewählt. 110 Kandidaten gehen ins Rennen, darunter befinden sich elf Bewerber der Linkspartei. »Ich hoffe, dass wir das eine oder andere Amt erobern können«, sagt der Landesvorsitzende Thomas Nord. Außerdem werde es der eine oder andere Genosse zumindest in die Stichwahl schaffen. Seine Partei habe gute Leute aufgestellt, versichert Nord.
Zu verlieren hat die LINKE im Grunde nichts. Sie stellt derzeit 13 hauptamtliche Bürgermeister. Nur einer von ihnen – Burkhard Horn aus Werneuchen – muss seine Position am Sonntag verteidigen. Der 53-jährige Elektromechaniker lenkt seit 2001 die Geschicke der Stadt im Barnim.
In Brandenburg/Havel will Linksfraktionschef Alfredo Förster die Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) in Schwierigkeiten bringen. Hat er es erst in die Stichwahl geschafft, werden die Karten sowieso neu gemischt, macht sich Förster Hoffnung.
In Jüterbog (Teltow-Fläming) versucht die ehemalige Bundestagsabgeordnete Maritta Böttcher erneut, Bürgermeisterin zu werden. Sie probierte bereits einmal, den langjährigen Bürgermeister Bernd Rüdiger (FDP) abzulösen. Der tritt jetzt ab.
In Wandlitz (Barnim) schickt die LINKE den Rechtsanwalt Frank Bergner ins Rennen. Er will unter anderem ein Energiesparkonzept für die Gemeinde. Bergner leistete seinen Wehrdienst ab 1983 bei der Wach- und Sicherungseinheit der Stasi-Bezirksverwaltung Frankfurt (Oder). Weil er sich nicht von seiner damaligen Freundin trennen wollte, wurde er im August 1985 entlassen. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte den Unteroffizier Bergner anfangs überaus positiv beurteilt. Doch weil er nicht einsehen wollte, dass eine Trennung von der Freundin wegen Westverbindungen in ihrer Verwandtschaft unumgänglich sei, wendete sich das Blatt. Nun hieß es auf einmal, Bergner trete anmaßend und überheblich auf, sei zwar klug, zeige aber nun doch »Schwächen und Mängel« im »politisch-ideologischen Bereich«. Frank Bergner ist der Sohn von Paul Bergner. Der Vater ist bekannt wegen seiner Bücher über DDR-Bunker und die Waldsiedlung Wandlitz.
Im Mühlenbecker Land (Oberhavel) tritt der 56-jährige Ingenieurökonom Hartmut Lackmann für die LINKE an. Lackmann hat in den 1970er Jahren an einer Offiziershochschule der NVA studiert und wurde zum Leutnant ernannt. 1978 schied er aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Truppendienst aus. Als Aufgaben des künftigen Bürgermeisters nennt Lackmann den bezahlbaren Straßenbau und die Wiederbelebung der Heidekrautbahn. Viele, die ihn oder seine Partei in der Vergangenheit gewählt haben, bemerkten längst, »dass wir bei allen Entscheidungen immer zuerst an die kleinen Leute denken«, weiß Lackmann. »Dass soll auch so bleiben!«, versichert er.
Frischen Wind ins Rathaus von Zehdenick (Oberhavel) möchte Marcel Stutz bringen. Sein Slogan: »Zukunft ist, was wir daraus machen.« Der erst 29-Jährige ist Bundesgeschäftsführer für Finanzen bei der Linksjugend solid. Es müsse verhindert werden, »dass weitere Privatisierungen stattfinden«, sagt er. »Stattdessen muss man über Rekommunalisierung nachdenken.«
In Zossen (Teltow-Fläming) reiste Bürgermeisterin Michaela Schreiber einst mit einem SPD-Ticket ins Rathaus. Doch die Unterstützung der Sozialdemokraten hat sie verloren. SPD und LINKE, die in der Stadtverordnetenversammlung eine gemeinsame Fraktion gebildet haben, nominierten ihren 1962 geborenen Fraktionsvorsitzenden Carsten Preuß. Hinter sich weiß Preuß auch die ebenfalls in seine Fraktion eingebundene Vereinigung unabhängiger Bürger. Außerdem genießt der parteilose Agraringenieur, der in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming tätig ist, die Unterstützung der Bündnisgrünen.
Für erneuerbare Energien, die für alle bezahlbar sind, und standhaften Protest gegen die Verpressung von Kohlendioxid – dafür stehe der 45-jährige Dirk-Detlef Kolbe in Rietz-Neuendorf (Oder-Spree), versichert der Linkspartei-Kreisvorsitzende Peer Jürgens. Kolbe wolle sich vor allem für den Zusammenhalt in der Gemeinde und für den Ausbau der sozialen Netzwerke einsetzen. Der Kandidat ist Finanzökonom und Verwaltungswissenschaftler und arbeitet für die Deutsche Rentenversicherung.
In Rüdersdorf bei Berlin (Märkisch-Oderland) nominierte die LINKE den Gas-Wasser-Installateur und Maschinenbaumeister Detlef Adler. Der Mann ist seit 2004 selbstständig und gibt Kurse als Trainer im Reha-Sport.
In Hoppegarten (Märkisch-Oderland) möchte Karsten Knobbe dafür sorgen, dass die Gemeinde schnell eine neue Kita baut, denn für zirka 150 Kinder gebe es aktuell keinen Kitaplatz, obwohl doch ein Rechtsanspruch auf Versorgung bestehe. Rechtsanwalt Knobbe, der Vater von sechs Kindern ist, nennt dies eine »bittere Realität«.
Knobbes Vater hatte eine Nachkriegskarriere gemacht, als Maurer das Abitur nachgeholt, am Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen in Moskau studiert und im Diplomatischen Dienst der DDR gearbeitet. Auch Diplomat zu werden, davon träumte Karsten Knobbe. So studierte er von 1981 bis 1986 ebenfalls an dem Institut in Moskau. Damals kam die Hauptverwaltung Aufklärung des Ministeriums für Staatssicherheit auf ihn zu. Er sollte später als Diplomat dem Geheimdienst helfen. Knobbe willigte ein. Es ist aber nichts daraus geworden, weil er seiner ersten Ehefrau vor der Trauung davon erzählte und weil die Familie der Frau zu einer republikflüchtigen Tante Kontakt hielt, was Knobbe der Stasi verschwiegen hatte. »Es bleibt die bereits 1986 gewonnene Erkenntnis, dass meine Bereitschaft zur Zusammenarbeit ein Fehler war«, sagt er heute. Er wurde zum Zentralrat der FDJ delegiert und 1989 zum Internationalen Studentenbund nach Prag geschickt, um dort als Redakteur der »Weltstudentennachrichten« eingesetzt zu werden. Nach der Wende schlug sich Knobbe zeitweilig als Versicherungsvertreter durch und absolvierte ein Jurastudium.
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