Ort des Abschieds
Neues Dokuzentrum im »Tränenpalast«
Eingezwängt zwischen Spree, Bahnhof Friedrichstraße und einem fast vier Mal so hohen neuen Bürohochhaus wirkt der unscheinbare Glaspavillon fast deplatziert. Vieles an ihm erscheint so frisch wie das neu verlegte Pflaster auf dem Gehweg. Auch die Metalltüren aus DDR-Bestand sind verschwunden. Über dem neu gestalteten Eingang leuchtet in schwarzer Schrift wieder sichtbar das Wort »Ausreise«.
Zwischen der Grenzschließung 1961 und dem Mauerfall kehrten über eine halbe Million Menschen aus persönlichen oder politischen Gründen ihrem Staat DDR legal den Rücken. Viele von ihnen reisten über den Bahnhof Friedrichstraße aus. Der dortige »Tränenpalast« mit seinem vorne geschwungenen und nach hinten abfallenden Dach war bis 1989 die bekannteste Grenzübergangsstelle zwischen Ost- und West-Berlin. Einen Monat nach dem 50. Jahrestag des Mauerbaus wird dort nun am 14. September eine Dokumentationsstätte eröffnet.
Im Innern des Gebäudes befand sich die von außen nicht einsehbare, rund 550 Quadratmeter große Ausreisehalle mit den Passkontroll- und Abfertigungsschaltern der DDR-Grenztruppen. Wer sie passiert hatte, gelangte in den Teil des Bahnhofes Friedrichstraße, von dem die S-, U- oder Fernzüge nach West-Berlin fuhren.
Unter dem Motto »GrenzErfahrungen« werden die Besucher künftig in dem Pavillon auch authentischen Schicksalen begegnen. Neben Originalobjekten wie Abfertigungsschalter und einem rund fünf Quadratmeter großen Modell sollen auch Zeitzeugenberichte das einstige Grenzabfertigungssystem am Bahnhof Friedrichstraße illustrieren. Zudem wird die rund 900 000 Euro teure Dauerausstellung die wichtigsten Stationen des Vereinigungsprozesses Revue passieren lassen.
»Eindeutiger Schwerpunkt ist aber die Zeit der deutschen Teilung«, fügt der Präsident des Bonner »Hauses der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland«, Hans Hütter, gleich hinzu. In der Gedenkstättenkonzeption des Bundes war sein Haus 2008 mit der Konzeption einer Dauerausstellung für diesen Ort mit seiner »singulären Lage« beauftragt worden.
Zuvor hatte der denkmalgeschützte »Tränenpalast« zwei Jahre leergestanden. Der dort nach der deutschen Vereinigung eröffnete, gleichnamige Kulturort hatte 2006 schließen müssen. Der Senat hatte das »Spreedreieck« genannte Filetgrundstück mit dem Glaspavillon und einer benachbarten hässlichen Brache an einen Investor verkauft. Der Deal sollte zu einem der größten Berliner Bauskandale werden. Heute steht neben der ehemaligen DDR-Grenzübergangsstelle das Hochhaus einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.
Der »Tränenpalast« ist somit heute Privateigentum und nur für 20 Jahre an das »Haus der Geschichte« vermietet. »Ich würde mir natürlich wünschen, einen solchen wichtigen historischen Ort auf Dauer erhalten zu können, aber wer weiß, was in 20 Jahren ist«, sagt dazu Museumschef Hütter. »Mein Job als Historiker ist es zurückzublicken.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.