Kultur in Kreuzberg konzentriert sich
Das Kunstquartier Bethanien wurde nun auch offiziell eingeweiht
Zuweilen fällt auch ein Lichtstrahl auf die, die sonst vom Dunkel aus das Spiel auf Bühnen und Tanzböden organisieren helfen. Ende vergangener Woche kam so ein Moment. Da empfing das neue Kunstquartier im alten Krankenhaus Bethanien den Kulturstaatsminister Bernd Neumann und feierte seine offizielle Einweihung.
18 Institutionen der darstellenden Künste und des Tanzes, darunter das Internationale Theaterinstitut, die Dramaturgische Gesellschaft, der Bundesverband und der Landesverband freier Theater, das Performancekollektive She She Pop und Grotest Maru sowie die Produktionsbüros Ehrliche Arbeit, DepArtment und Nordwind-Festival, haben in den letzten Monaten in dem Gebäude Platz gefunden. Sie machen es zu einem neuen vitalen Kunstproduktionszentrum in der Stadt. Kein kulturpolitisches Mastermind hat hier die Strippen gezogen. Vielmehr führte die Raumnot einzelner Projekte zu dieser Konzentration. Das war die – im Nachhinein betrachtet – günstige Gelegenheit, die sich durch den Auszug des Künstlerhauses Bethanien ergab, und der Kooperationswille der gemeinnützigen Gesellschaft für Stadtentwicklung, die seit Januar 2011 das Objekt betreut,
Als positives kulturpolitisches Signal war die Eröffnungsrede von Neumann zu bewerten. Der Kulturstaatsminister »schwänzte« dafür, wie er selbst sagte, einen Teil der Bundestagsdebatte zum Euro- Rettungsschirm und strich die Notwendigkeit der freien Projekte »für die eindrucksvolle kulturelle Bandbreite in Deutschland« heraus. »Hier zu sparen zerstört Infrastrukturen und ist kontraproduktiv«, merkte er an. Das war zumindest seelischer Balsam für die meist von prekären Zuständen gepeinigten Zuhörer. Weniger lindernd – und die Ungeübtheit Neumanns im Umgang mit freien Projekten offenbarend – wirkten eine Bemerkung, die das freie Theater mit dem Amateurtheater verknüpfte, und eine weitere, die lobend die ehrenamtliche Tätigkeit in solchen Sektoren herausstrich. Weil freie Theater- und Tanzkünstler gegenwärtig um Honoraruntergrenzen kämpfen, irritierte ein Lob des Ehrenamts doch beträchtlich.
Für unfreiwillig ausgelöste und höflich unterdrückte Heiterkeit sorgte Neumanns Dank an das »Engagement der Bürger«, die den bereits geplanten Abriss des einstigen Krankenhauses verhinderten. Nun, diese »Bürger« waren einst von der Staatsmacht mit Polizeigewalt verfolgte Besetzer. Dem Friedsrichshain-Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) oblag es, die Verhältnisse wieder gerade zu rücken. Er erinnerte an die Besetzungen, die Kämpfe und Konflikte, den hartnäckigen Widerstand gegen den geplanten Autobahnbau, der Kreuzberg in eine »unwirtliche Zone« verwandelt hätte, und an die parallel gewachsenen autonomen und bezirklichen Strukturen im Künstlerhaus Bethanien.
Schulz gab den neuen Nutzern auf den Weg, sich dieses Erbes würdig zu erweisen, unbequem zu sein und den Streit nicht zu scheuen. Das ist ein durchaus sinnvoller Hinweis an die Adresse einer Szene, die im Zuge der eigenen Professionalisierung gelegentlich ihre politisch gefärbten Ursprünge zu vergessen droht. Im Zuge der Verteuerung von Wohn- und Arbeitsräumen in der unmittelbaren Umgebung ist das hier zwischen Bezirksamt, Senat und GSE gefundene Modell einer festen Mietstruktur jedoch vorbehaltlos zu begrüßen.
Das neue Quartier der darstellenden Künste im Bethanien ist kein Leuchtturm, aber ein sinnvoller Baustein einer kulturellen Infrastruktur. Für regelmäßigen und sehr dichten Publikumsverkehr sorgt im übrigen die Musikschule Berlin-Kreuzberg, von deren insgesamt 3000 Schülern 2000 hier ihren Unterricht erhalten.
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