Angolas Präsident in der Kritik
Staatschef wird Korruption vorgeworfen / Nachfolgediskussion in MPLA
Afrika ist nicht arm an Langzeitpräsidenten. Nach dem Sturz von Muammar al Gaddafi, der 42 Jahre über Libyen herrschte, ist José Eduardo dos Santos, Angolas Präsident, der dienstälteste afrikanische Herrscher. Er ist 32 Jahre an der Macht. Und wie der vertriebene libysche Machthaber wurde auch Angolas Präsident nie in freien Wahlen bestätigt.
Im Jahr 1979 wurde dos Santos nach dem Tod des Befreiungskämpfers und ersten Präsidenten Angolas nach der Unabhängigkeit, Agostinho Neto, zum Präsidenten ernannt. 1992 sollten eigentlich Wahlen in Angola abgehalten werden, doch der Bürgerkrieg, in dem die MPLA der UNITA gegenüberstand, brach erneut aus. Erst 2002 endeten die militärischen Auseinandersetzungen mit dem Tod des UNITA-Führers Jonas Savimbi endgültig. Für 2009 waren Präsidentschaftswahlen vorgesehen: Nach Änderung der Verfassung im Jahr 2008 wird der Präsident nicht mehr vom Volk direkt gewählt, sondern von der Parlamentsmehrheit bestimmt.
Die letzten Parlamentswahlen 2008 hatte die MPLA unter dos Santos mit beeindruckenden 82 Prozent der Stimmen gewonnen. 2012 sind die nächsten Wahlen vorgesehen. Kaum jemand zweifelt daran, dass die MPLA diese Wahlen nicht wieder haushoch gewinnen wird.
Doch wie in Nordafrika wächst auch in Angola der Unmut gegen die Machthaber. Anfang September kam es zuletzt zu Demonstrationen in Angolas Hauptstadt Luanda. 24 Demonstranten wurden festgenommen. 200 Jugendliche, so meldete das portugiesische Fernsehen RTP, hatten sich auf dem Unabhängigkeitsplatz zusammengefunden. Als eine kleine Gruppe in Richtung Präsidentenpalast losmarschieren wollte, um die Freilassung von Demonstranten zu fordern, schritt die Polizei ein. Demonstranten, Journalisten und Polizisten wurden bei den folgenden Auseinandersetzungen verletzt. Gegenüber der portugiesische Nachrichtenagentur Lusa sprachen einige Demonstranten von großer Brutalität seitens der Polizei. Der Ärger richtet sich in Angola vor allem gegen Korruption und Vetternwirtschaft der Machthaber. Dos Santos und sein ihn umgebender Zirkel von reichen Freunden und Verwandten wird vorgeworfen sich an Staatsgeldern zu bereichern.
Angola, Afrikas zweitgrößter Erdölproduzent, schwimmt in Petrodollars. Luanda, die Hauptstadt des südafrikanischen Landes mit 18 Millionen Menschen, ist zu einer der teuersten Städte der Welt aufgestiegen. Mieten sind für viele, auch für Vertreter von internationalen Unternehmen und Organisationen, unerschwinglich geworden. Für ein Haus mit drei Schlafzimmern werden in einem Vorort der Stadt gerne 10 000 US-Dollar pro Monat fällig.
Angolas Wirtschaft wuchs in den letzten Jahren vor der Krise 2008 zweistellig; für dieses Jahr ist wieder ein Wachstum von fast elf Prozent vorausgesagt. Die Öleinnahmen sind dringend notwendig, denn nach 27 Jahren Bürgerkrieg muss die Infrastruktur komplett neu aufgebaut werden. Am angolanischen Wirtschaftsboom wollen auch deutsche Unternehmen verdienen. Der diesjährige Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Angola sollte wohl auch dieses Anliegen der deutschen Wirtschaft unterstützen helfen.
Bei vielen Angolanern, vor allem außerhalb Luandas, ist vom Ölreichtum bislang kaum etwas angekommen. Zwei Drittel der Angolaner müssen weiterhin von weniger als zwei US-Dollar pro Tag leben. Der Ärger gegen dos Santos Herrschaft wächst aber weniger bei den Armen auf dem Land als bei der städtischen Bevölkerung. Die Mehrheit der dortigen Einwohner lebt in Armensiedlungen. Eine sichere Wasser- und Stromversorgung ist für viele hier weiter ein Traum. Stark steigende Preise machen das Auskommen immer schwieriger. 2010 lag die Inflationsrate bei 14,5 Prozent. Viele Pendler können sich die Minibusse nicht mehr leisten, die sie zu ihren Arbeitsorten in die Stadt bringen. Ursache des Preisanstiegs im Transportwesen sind die gestiegenen Spritkosten. Angola muss 50 Prozent des Treibstoffs einführen.
Unruhen und ein Aufstand wie in Nordafrika stehen in Angola allerdings nicht bevor. Dafür ist vielen Angolanern der Schrecken des 27 Jahre andauernden Bürgerkriegs noch zu präsent, als dass die Herrschaft dos Santos offen angegriffen würde. Innerhalb der MPLA gebe es aber zum ersten Mal eine Art Nachfolgediskussion, so Pedro Seabra vom Institut für Internationale Beziehungen und Sicherheit in Lissabon, der glaubt dass Dos Santos zu einer Belastung für seine Partei geworden ist. »Angola wandelt sich. Vor zwei Jahren war es undenkbar, dass Bürger mit Plakaten auf die Straße gehen und ein Ende der Präsidentschaft dos Santos fordern.«
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