Millionengrab »Vierter Pavillon«

In Saarbrücken explodieren die Kosten für einen Museumsneubau

  • Oliver Hilt, Saarbrücken
  • Lesedauer: 3 Min.
Dass Bauprojekte am Anfang theoretisch weniger Geld kosten, als sie am Schluss dann tatsächlich verschlingen, ist ein gut bekanntes Phänomen. In Saarbrücken ist es ein Museumsneubau.

Sie sollte eigentlich das kulturelle Prunkstück der saarländischen Landeshauptstadt werden: die Museumsmeile am Saar-Ufer. Sahnehäubchen dabei der Museumsneubau »Vierter Pavillon«, geplant von der damaligen CDU-Regierung als Schnäppchen für neun Millionen Euro. Die jüngste Schätzung lautet auf über 30 Millionen Euro, genaue Zahlen soll es erst im Oktober geben.

Wären am Bretterzaun rund um den Betonklotz nicht ein paar Kunstposter aufgeklebt, würde wohl kaum ein Passant auf die Idee kommen, dass hier der einstmals als kulturelles Highlight geplante »Vierte Pavillon« ein derzeit höchst umstrittenes Rohbaudasein führt, aber schon jetzt auf eine erste Besuchergruppe wartet.

Innenminister Stephan Toscani (CDU), der im Zuge der Regierungsumbildung im August auch das Kulturressort mit übernommen hat, hat die Landtagsabgeordneten zu einem Besuch der Baustelle eingeladen. Ein symbolischer Akt, hat er doch Aufklärung und Transparenz über die Kostenexplosion angekündigt und die Hoffnung nicht aufgegeben, dass danach die bereits monatelange Debatte »künftig sachlicher geführt« werden kann.

Er ist inzwischen der vierte CDU-Minister, der sich mit dem Betonklotz abmühen muss. Wenn er es ernst meint mit der Aufklärung, und den Eindruck kann man in den letzten Tagen gewinnen, dann wird er auch die Arbeit seiner drei Vorgänger ausleuchten müssen, darunter auch die seiner jetzigen Chefin, Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, die von 2007 bis 2009 das Kulturressort verantwortete.

Auslöser für den Erklärungsnotstand der Landesregierung war einmal mehr der Landesrechnungshof. Der hatte zunächst in einem Sonderbericht zur Stiftung Saarländischer Kulturbesitz das Spesengebahren des Stiftungsvorstands Ralph Melcher unter die Lupe genommen. Der ist inzwischen wegen Untreue angeklagt und suspendiert. Interimsmuseumschef wurde Meinrad Maria Grewenig, im Hauptberuf Chef des Welturkulturerbe Völklinger Hütte, die gerade eine Keltenausstellung mit einem Rekord von fast 200 000 Besuchern abgeschlossen hat.

Der erfolgreiche Ausstellungsmacher hat wohl zunächst die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen ob der Fehlplanungen. Offenbar unzureichender Hochwasserschutz für ein Gebäude am Ufer der Saar, deren regelmäßige Überschwemmungen zum Saarbrücker Alltag gehören, Doppelvergabe von Aufträgen, Baunebenkosten, die nicht kalkuliert waren. Und für Grewenig völlig unverständlich: Räumlichkeiten, die einem modernen Museum nicht entsprechen, fehlende Besucherleit- und IT-Systeme, heutzutage Minimalstandards.

Dem dafür zuständigen Projektplaner hatte Karl Rauber (CDU), zuletzt Chef der Staatskanzlei und Kulturminister, die Verträge gekündigt. Rauber selbst, der schon durch einen Untersuchungsausschuss zum »Gondwana«-Urzeit- park auf einem ehemaligen Grubengelände in Bedrängnis geraten war, hat seinen Sessel in der Regierung bei der Kabinettsumbildung geräumt. Der ebenfalls zeitweise zuständige Minister Jürgen Schreier (CDU) sitzt inzwischen auf einem Geschäftsführerposten bei der landeseigenen Saar-Toto.

Eine Bürgerinitiative hat jetzt Anzeige erstattet, gegen Rauber, Schreier, aber auch Kramp-Karrenbauer und selbst den ausgeschiedenen Regierungschef Peter Müller (alle CDU). Es habe nicht einmal einen korrekten Projektantrag für den »Vierten Pavillon« gegeben, begründet deren Sprecherin diesen Schritt.

Dass zudem der Kulturminister in Personalunion auch Kurator der Stiftung ist, führt in den Augen des Rechnungshofs dazu, dass er sich selbst kontrolliert. SPD und LINKE drängen deshalb schon länger auf ein neues Stiftungsgesetz, um diesen Zustand zu beenden. Beide Oppositionsparteien schließen einen Untersuchungsausschuss nicht aus, wollen aber zunächst die weiteren Ergebnisse des Rechnungshofs abwarten, die im Oktober vorliegen sollen.

Zunehmend werden Forderungen nach einem Baustopp des »Millionengrabs« (ver.di) laut. Selbst die Jungen Liberalen (Julis) haben den Pavillon bereits symbolisch beerdigt. Der kulturpolitische Sprecher der Linkspartei, Lothar Schnitzler, kann sich auch eine andere Nutzung für den Noch-Rohbau vorstellen, etwa für die benachbarte Hochschule für Musik, um dem Steuerzahler weitere Millionenbelastungen zu ersparen. Interimschef Grewenig jedenfalls hat den mal geplanten Eröffnungstermin im Herbst 2012 gestrichen.

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