Keine Chance für Roche
Literatur im ZDF
Charlotte Roche hätte bei Wolfgang Herles neuer Literatursendung »Das blaue Sofa« nur die Chance auf einen kurzen Verriss, Philipp Lahm muss als Sachbuchautor draußen bleiben und die Bücher von Schauspielern möchte Wolfgang Herles eigentlich auch nicht besprechen. Zum Auftakt am 16. September macht er von der letzten Regel gleich eine Ausnahme und stellt zwei Bücher von Künstlern vor, die sich bislang einen Namen in anderen Metiers gemacht haben Er bespricht den ersten Roman von Oskar Roehler, der zuletzt mit »Jud Süß – Film ohne Gewissen« für Aufsehen sorgte. In seinem ersten, unübersehbar von der eigenen Biografie inspirierten Roman »Herkunft« folgt er einer Familie im Nachkriegsdeutschland über drei Generationen.
Das Gegenstück zur Atmosphäre in einer Schriftstellerfamilie, die sich an den Idealen der 68er aufreibt, bietet der Charakterdarsteller Josef Bierbichler in »Mittelreich«. Drei Generationen einer Familie, die eine Wirtschaft am See betreibt, haben in ihrem ländlichen Mikrokosmos mit den Auswirkungen der Weltökonomie zu kämpfen. Herles hat Bierbichler zum Gespräch über das Werk in dessen Haus am Starnberger See getroffen. Das Reisen an den Ort des literarischen Schaffens oder den Schauplatz des Geschehens soll ein Markenzeichen der Sendung werden, die in die Fußstapfen des »Literarischen Quartetts« und »Lesen« treten will. »Von meinen Vorgängern habe ich gelernt, dass die Sendung nur so gut sein kann wie die Leute, die sie machen,« gesteht Herles. »Wichtig für den Erfolg ist, eine eigene Meinung leidenschaftlich auszusprechen.« Herles will dabei nicht nur über die Bücher reden, er sucht den Austausch mit den Autoren. Zwei rund zehnminütige Dispute mit Autoren sind das Herz der neuen Sendung, die sechsmal im Jahr auf dem Programm des Zweiten steht. »Bücher, die man lesen muss und ins öffentliche Bewusstsein gerückt werden sollen« verspricht Herles, der seit 1. Juli auch Leiter der Redaktion Literatur des ZDF ist. »Ich will keinen Medienhype um Bücher anstacheln, die kein literarisches Ereignis sind. Ich suche einfach nach Büchern, die mich selbst so packen, dass ich sie mit ins Bett und aufs Klo nehme und die dafür sorgen, dass ich zu spät zur Arbeit komme.«
Das ist Ilja Trojanow mit dem Ende August erschienenen »EisTau« gelungen. Er erzählt von einem verzweifelten Wissenschaftler, der versucht Urlauber auf den Kreuzfahrtschiffen der Antarktis auf das Schmelzen der Gletscher aufmerksam zu machen. Passend zum sanften Plädoyer des Romans für die Bewahrung der natürlichen Umwelt reiste Herles zum Dialog mit dem Schriftsteller mit dem Blauen Sofa zu einem Originalschauplatz des Gletschersterbens auf 3250 Meter Höhe in den Tiroler Alpen.
Der Druck der Quote auf dem Sendeplatz am Freitag ist gering. Dort muss »aspekte« weichen. Das Ziel ist es, die Millionengrenze zu reißen. Am 13. Oktober gibt es aber bereits ein Wiedersehen mit dem »Blauen Sofa«. Es steht in einer Sondersendung auf der Buchmesse in Frankfurt (Main).
»Das blaue Sofa«, 16.9., 23 Uhr.
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