Das Tief ist überwunden

LINKE-Landesvorsitzender Klaus Lederer setzt auf den Erfolg des Engagements für soziale Interessen

  • Lesedauer: 5 Min.
Der 37-jährige promovierte Jurist und Rechtsanwalt Klaus Lederer führt seit dem Jahr 2005 den Berliner Landesverband der LINKEN. Seit 2003 gehört der gebürtige Schweriner, der am Berliner Hertz-Gymnasium sein Abitur machte, dem Abgeordnetenhaus an. Hier ist er rechtspolitischer Sprecher der Linksfraktion.
Das Tief ist überwunden

ND: Wie geht es dem Genossen Trend?
Lederer: Ich glaube, wir haben das Umfragetief der vergangenen Wochen hinter uns. Der Wahlkampf zeigt Wirkung. Sicher, nicht Wenige waren angesichts unserer internen Debatten irritiert, und manchmal spielt das am Stand eine Rolle. Aber die Menschen sind nicht blöd. Sie wissen genau, wer sich für ihre sozialen Interessen engagiert. Wenn es um die stadtpolitischen Linien für die nächsten fünf bis zehn Jahre geht, reicht es nicht aus, den Berlin-Versteher zu geben.

Was wären also die richtigen Themen?
Wie lässt sich der Anstieg der Mieten bremsen, wie können die Preise bei Gas, Strom und Wasser stabil gehalten oder gar gesenkt werden? Was ist zu tun, damit die S-Bahn wieder funktioniert? Hier stehen allein wir für mehr öffentlichen Einfluss und demokratische Kontrolle statt Rendite. Gleiches gilt für den Erhalt eines leistungsfähigen öffentlichen Dienstes oder die Schaffung von Arbeitsplätzen mit fairen Löhnen.

Auf all diese Fragen haben wir Antworten, die wir, trotz medialen Gegenwinds, in die Debatte bringen. Ich bin begeistert, mit welchem Engagement das geschieht und will jetzt schon mal allen Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfern Danke sagen. Die letzten Stunden bis zur Wahl geben wir noch einmal alles.

Die Überführung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsfürsorge in Landeseigentum war ja fast schon einmal Stadtgespräch.
Wir müssen hier die deutlichen Differenzen zwischen SPD, Grünen und LINKER kenntlich machen. Außer der LINKEN will doch niemand ernsthaft die Wasserbetriebe oder die S-Bahn zurück unter öffentliche Kontrolle führen. Gleiches gilt für die Energienetze und den Aufbau eines demokratisch kontrollierten Bürgerstadtwerks. Damit könnte es in den nächsten 15 Jahren gelingen, die Stadt weg von fossiler oder atomarer Versorgung und hin zu erneuerbaren Energien zu bringen. Über den ökologischen Umbau reden viele, aber die soziale Komponente bringen nur wir ein.

Wie stark interessiert das denn im Straßenwahlkampf?
Was kostet mein Wasser morgen? Was werde ich für die Energie zahlen müssen? Komme ich mit der S-Bahn von A nach B oder stehe ich stundenlang auf dem Bahnhof herum? All das brennt den Menschen, mit denen wir sprechen, auf den Nägeln.

In aller Öffentlichkeit wird aber anscheinend viel mehr über einen Brief an Fidel Castro und die Mauer geredet.
Ich vertraue darauf, dass den Menschen gute Arbeitsplätze, stabile Mieten, solide Bildung für Alle, die Sicherung ärztlicher Versorgung und der Erhalt sozialer und kultureller Einrichtungen wichtiger sind als Glückwunschbriefe. Klar, die Medien haben nicht gerade das Interesse, permanent unsere Erfolge und unsere politischen Inhalte in den Vordergrund zu stellen. Um so wichtiger ist, dass wir es selbst tun und den direkten Weg suchen.

Oder im Internet?
Oder dort. Zum Beispiel zur Live-Kommentierung der beiden Fernsehduelle zur Wahl, bei denen uns der RBB einfach ignoriert hat, in sozialen Netzwerken wie facebook oder mit unserem Wahlblog.

Was wäre das entscheidende Argument, LINKE zu wählen?
Wem trauen die Menschen mehr zu, in sozialen Fragen Druck auf die SPD auszuüben? Den Grünen? Der CDU? Oder etwa den Piraten? Wir wissen doch, dass die SPD sich ohne Druck nicht bewegt. Klaus Wowereit hat eine Koalition selbst mit den Konservativen nicht ausgeschlossen. Warum sollte er sie nicht auch wegen der Übereinstimmung beim Ausbau der A 100, den BBI-Nachtflügen oder zu Hartz IV eingehen?

Das wäre sozusagen ein Negativargument.
Nur wenn die LINKE gestärkt wird, spielt das Soziale in der Stadtpolitik eine Rolle. Das ist gerade angesichts drohender Krisen enorm wichtig. Die LINKE ist die einzige Garantie dafür, dass die Bezirke im Osten der Stadt auf der Landesebene eine starke Stimme haben, dass es eine authentische Vertretung Ostdeutscher in Parlament und Senat gibt.

Weitere positive Argumente sind der Kampf gegen prekäre Beschäftigung, eine Schule, in der alle miteinander lernen können, eine demokratisch kontrollierte Daseinsvorsorge bis hin zur Sicherung der Kita-Infrastruktur der Stadt unter schwierigen Bedingungen, die Sicherung eines vernünftig ausgestalteten öffentlichen Dienstes mit anständiger Bezahlung und vieles mehr.

Gerade bei den Flugrouten werden ja wohl die östlichen Wurzeln der Linkspartei nicht verleugnet.
Als in Lichtenrade und am Wannsee mobil gemacht wurde, dauerte es keine 24 Stunden, bis die etablierten Parteien im Parlament aufgelaufen sind und ein Riesenradau veranstaltet haben. Als sich dasselbe am Müggelsee abgespielt hat, war wochenlang Ruhe. Erst als die Menschen in Friedrichshagen – da waren wir tatsächlich von Anfang an dabei – entsprechende Lautstärke erzeugt haben, war irgendwann auch mal ein christdemokratischer Spitzenkandidat bereit, ihnen das Ohr zu leihen. Irgendwann begann sich auch der Regierende Bürgermeister zu interessieren. Hier sieht man, wer wann welche Aufmerksamkeit den Befindlichkeiten der Menschen vor Ort zugewandt hat.

Also die Ostwurzel...
Das zu leugnen wäre Quatsch. Wir waren im Osten immer verwurzelt und sind es nach wie vor. Wenn sich auch die Bevölkerung durch Zu- und Wegzüge wandelt.

Die Piraten sind gerade sehr erfolgreich. Kann man von deren Wahlkampf was lernen?
Wahlkämpfe sind in den vergangenen Jahren interaktiver geworden: weniger Präsentation, mehr Austausch. Im Internet-Wahlkampf der LINKEN experimentieren wir damit. Zu lange waren diese Themen auch bei uns Leerstelle. Ich fürchte nur, dass die Piraten zwar jetzt den Mund sehr voll nehmen, aber am Ende wenig zustande bringen. Ihren Wählern prophezeie ich, dass die Freude bei einem möglichen Einzug kurz, der Trübsinn angesichts der sich daraus ergebenden möglichen Koalitionen eher lang sein wird.

Es lässt sich für die LINKE im Schlussspurt auch noch was holen?
Viele fragen sich in diesen Tagen vor der Wahl, worauf es ankommt. Von wem wird Berlin mit welchen Inhalten zukünftig regiert? Ich habe an unseren Wahlständen viele nachdenkliche Menschen getroffen. Sie haben durchaus zur Kenntnis genommen, dass wir hier vor zehn Jahren eine katastrophale Baustelle übernommen haben und die Stadt eine Entwicklung genommen hat, auf die wir stolz sein können. Das hat auch mit unserem Engagement zu tun.

Interview: Klaus Joachim Herrmann

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