Paulus Superstar
Evangelen richten Kulturkongress aus
Über Jahrhunderte haben ihn Künstler in ein langes Gewand gesteckt – mit Halbglatze und Bart, einer Schriftrolle, einem Buch, oder einem Schwert in der Hand ist er auf Gemälden und Altären zu sehen: Paulus von Tarsus, der weit gereiste Missionar des Urchristentums, dem im Neuen Testament 13 Briefe zugeschrieben werden. In Berlin ist jetzt ein ganz anderer Paulus zu sehen: In einem Musiktheaterstück, das am heutigen Donnerstag uraufgeführt wird, ist er kein Held und Heiliger mehr, erscheint vielmehr in aktueller Alltagskleidung.
Mit der Uraufführung von »Paulus. Das ängstliche Harren der Kreatur« eröffnet die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) am Donnerstagabend ihren ersten Kulturkongress. Das dreitägige Programm umfasst Workshops, Lesungen, Konzerte sowie Filmaufführungen. Im Mittelpunkt steht Paulus, der »urchristliche Reformator« als Figur der Gegenwart, »an der sich Grundsatzfragen zu Religion, Fundamentalismus und Freiheit widerspiegeln«, wie es in der Ankündigung heißt.
»Wir geben einen übergeschichtlichen Blick auf Paulus, keine historische Geschichte«, beschreibt Regisseurin Annette Kuß das Musiktheater-Projekt in einer Probenpause. Aufführungsort ist die in den 90er Jahren wiederaufgebaute St. Elisabeth-Kirche in Berlin-Mitte, ein von Karl Friedrich Schinkel im Stil der griechischen Antike gehaltener und im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigter Bau.
Den Paulus spielt der aus diversen Fernseh-Produktionen bekannte Jens Schäfer. Das Libretto für diese Auftragsarbeit der EKD schrieb der 42-jährige Christian Lehnert. Die Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr, spricht von einer »Wiederaneignung der Texte von Paulus durch die Künste«. Dabei nutzt Christian Lehnert weitgehend nur Zitate: »Ich versuchte, die Impulse und Verstörungen aufzunehmen, die ihn zum Sprachschöpfer machten, zu einem Grenzgänger am Rand des Unaussprechlichen«, sagt Lehnert.
Rund 360 000 Euro kostet der EKD-Kulturkongress samt Theater. Die Hälfte davon kommt aus dem Topf des Kulturstaatsministers, die andere Hälfte stammt aus einer speziell für diese Veranstaltung erhobenen Kollekte. Das Musiktheater wird während des Kongresses drei Mal aufgeführt, am heutigen Donnerstag sowie Samstag und Sonntag. Darüber hinaus gibt es bislang keine weiteren Termine. Der künstlerische Leiter des Musiktheaters, Klaus-Martin Bresgott, weiß aber schon von diversen Interessenten, die die Uraufführung »mit Spannung erwarten«.
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