Die A 100 und die Koalitionsfrage

Front gegen die Autobahn-Verlängerung wächst zumindest im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
Vier Parteien vereint gegen die Verlängerung der A 100 ND-
Vier Parteien vereint gegen die Verlängerung der A 100 ND-

Eine ziemlich große Koalition hatte sich gestern schon mal auf der Elsenbrücke in Friedrichshain zusammengefunden: SPD, LINKE, Grüne und Piratenpartei demonstrierten Einigkeit zumindest auf Bezirksebene darüber, ob die Stadtautobahn bis hier verlängert werden soll. Stopp-A 100-Plakate reckten u.a. Jutta Matuschek (LINKE), Gerlinde Schermer (SPD), Dirk Behrendt (Grüne) und Alexander Morlang (Piraten) in die Höhe.

Was bei der SPD-Kandidatin für das Abgeordnetenhaus insofern pikant war, als sie sich damit gegen ihren Spitzenkandidaten Klaus Wowereit und das Wahlprogramm der Partei stellte. »Aber nicht gegen unser Bezirks-Programm«, konterte Schermer bei einem anschließenden Pressetreff in einer Kneipe mit dem beziehungsvollen Namen »Wilde Renate«. Und wedelte mit dem kommunalen Wahlprogramm der SPD Friedrichshain Kreuzberg, in dem der A 100-Ausbau abgelehnt wird. »Wir sind weiter dagegen und werden Wowereit mit Sachargumenten überzeugen«, ist sie sicher.

Falls das nicht klappt, könnte auch aus einer rot-grünen Koalition nichts werden. »Es wird keine grüne Unterschrift unter einen Koalitionsvertrag geben, der die Verlängerung der A 100 vorsieht«, hatte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann zuvor in einem Interview gesagt. Man könne nicht sinnlos 420 Millionen Euro für drei Kilometer Autobahn ausgeben, nur weil das Geld vom Bund kommt.

Der Bund habe zudem dieses Geld noch gar nicht im Haushalt eingeplant, nahm sich Jutta Matuschek, Verkehrsexpertin der Linkspartei, ein Lieblings-Argument der Autobahnfans vor. Und hielt sich und ihrer Partei zugute, eine Bauentscheidung über dieses »ökologisch, klimapolitisch und städtebaulich irrsinnige Projekt« in dieser Legislaturperiode verhindert zu haben. Das sei ein hartes Ringen innerhalb der Koalition gewesen, so Matuschek.

Denn eigentlich stand es ja im Koalitionsvertrag, weshalb Dirk Behrendt auch genüsslich davon sprach, dass die Grünen die einzige Partei waren, die sich im Abgeordnetenhaus gegen die Autobahn ausgesprochen hätten. Und bei den LINKEN solle es ja auch einige Befürworter geben. Angesichts diverser Klagen gegen die Autobahn gab er sich zuversichtlich, das Projekt stoppen zu können, »egal wie die Wahlen ausgehen«. Ansonsten ist für ihn klar: »Wer Wowereit wählt, wählt die Autobahn.«

Und die Piraten? Die arbeiten »hart daran, dass die Grünen nicht mehr die einzige Fraktion im Abgeordnetenhaus sind, die gegen die Autobahn sind«, zeigte sich ihr Kandidat Alexander Morlang beflügelt von den jüngsten Umfragen. Wobei er unterschlug, dass mit dem Einzug seiner Piraten dann die Anti-A 100-Front schon drei Parteien umfassen würde. Denn auch Matuschek betonte, dass es mit der LINKEN eine Autobahn nicht geben werde.

Schermer hat schon eine Befürchtung, wie Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen in dieser Frage laufen könnten. Die Grünen sind für eine Ausschreibung und damit Privatisierung der S-Bahn, aber gegen die A 100, die SPD gegen die Privatisierung, aber für die A 100. »Es könnte einen Tausch geben. Beide verzichten auf die Autobahn, aber privatisieren die S-Bahn.« Was für Schermer so etwas wäre wie die Austreibung des Teufels mit dem Beelzebub.

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