Die totale Abschreckung

  • Roland Zielke
  • Lesedauer: 4 Min.
Roland Zielke,1946 geboren, ist stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag. Von 1975 bis 2003 war er Mathematik-Professor in Osnabrück.
Roland Zielke,1946 geboren, ist stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender im niedersächsischen Landtag. Von 1975 bis 2003 war er Mathematik-Professor in Osnabrück.

Die elektronische Fußfessel ist ein Nebenprodukt des technischen Fortschritts. Wie jedes moderne Auto über sein Navigationsgerät, so gibt die elektronische Fußfessel den Aufenthaltsort ihres Trägers metergenau preis. Satellitengestützte Navigationssysteme eröffnen ungeahnte Möglichkeiten, Menschen zu überwachen. Zu entscheiden, was davon realisiert werden soll, ist Aufgabe von Gesellschaft und Politik. Niemand würde in Deutschland heute auf die Idee kommen, durch eine elektronische Vorrichtung alle Einwohner automatisch ortbar zu machen. Allerdings: Bei der Suche nach Bergwanderern, die sich verlaufen haben, oder verschwundenen Kindern wäre ein solches Instrument zum Beispiel sicher sehr hilfreich.

In der aktuellen Diskussion um die elektronische Fußfessel geht es nur um die Überwachung eines sehr kleinen Personenkreises von Straftätern, die nach Verbüßung ihrer Haft und anschließender Sicherungsverwahrung wieder in Freiheit sind, obgleich sie noch als möglicherweise gefährlich gelten. Virulent geworden ist diese Konstellation durch Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, die im Kern vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bestätigt worden sind. Die Richter stellten zum Beispiel klar, dass eine Sicherungsverwahrung, die zunächst auf zehn Jahre begrenzt war, nicht rückwirkend verlängert werden konnte. Nachträgliche Sicherungsverwahrung widerspreche den Menschenrechten. Denn niemand dürfe wegen eines Gesetzes verurteilt werden, das es zur Zeit der Straftat noch nicht gegeben habe.

Die elektronische Fußfessel soll durch die Überwachung ehemaliger Straftäter zum Schutz der Gesellschaft beitragen. Seit dem 1. Januar 2011 können Gerichte für Verurteilte, die nach ihrer Entlassung aus dem Straf- oder Maßregelvollzug unter Führungsaufsicht stehen, eine elektronische Aufenthaltsüberwachung anordnen. Voraussetzung ist, dass die Verurteilten schwere Gewalt- oder Sexualstraftaten begangen haben und diesbezüglich weiterhin als gefährlich eingestuft werden. Der Einsatz der Fußfessel soll allerdings nur in Einzelfällen und bei notorisch gefährlichen Verurteilten erfolgen. Eine Ausweitung des Instruments der elektronischen Fußfessel auf andere Tätergruppen steht derzeit nicht an, sollte aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal sie auch zusätzliche Chancen für eine Resozialisierung der Verurteilten zu bieten scheint, wie Erfahrungen aus dem europäischen Ausland und den USA nahelegen.

Die elektronische Fußfessel hat gleich mehrere Vorteile: Mit ihr kann schlicht und einfach festgestellt werden, ob sich die Entlassenen an Auflagen und Verbote halten. Das Tragen der Fußfessel hat außerdem eine psychologische Wirkung auf die ehemaligen Straftäter. Der Träger weiß, dass er überwacht wird, und muss mit umgehender Reaktion der Strafverfolgungsbehörden rechnen, wenn er sich nicht an die Auflagen und Weisungen hält. In jedem Fall ist das Risiko des Entdecktwerdens bei erneuter Begehung von Straftaten für die Verurteilten besonders hoch. Auch wenn sich Rückfalltaten durch die Überwachung nicht sicher verhindern lassen werden, so geht von der Möglichkeit, den Aufenthaltsort rückwirkend genau bestimmen zu können, eine erhebliche Abschreckungswirkung aus. Darüber hinaus ist schon der Verstoß gegen die Weisungen an sich strafbar, ohne dass es zu einer schweren Straftat kommt.

Nebenbei ist die Fußfessel für den Staat kostengünstiger als ein Haftplatz, wodurch an anderer Stelle mehr Geld in die Sicherheit der Menschen investiert werden kann. Das Kostenargument darf jedoch nicht dazu führen, dass das Instrument vorrangig aus fiskalischen Erwägungen auf Tätergruppen ausgedehnt wird, bei denen Aspekte des Schutzes der Bevölkerung keine oder lediglich eine untergeordnete Rolle spielen.

Die in Hessen angesiedelte Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL), bei der die Daten zentral erfasst und verarbeitet werden sollen, ist sinnvoller als mehrere Insellösungen. Durch den Beitritt möglichst vieler Länder zu dem Staatsvertrag, der diese Länderkooperation regelt, können die Kosten in einem vernünftigen Rahmen gehalten und länderübergreifende Überwachungsfälle effizient gestaltet werden. Zugleich übernimmt die Überwachungsstelle eine wichtige Filterfunktion, um die Anzahl unnötiger Einsätze der Polizei oder der Bewährungshilfe so gering wie möglich zu halten.

Klar ist jedoch: An die Einführung der Fußfessel dürfen keine überzogenen Erwartungen gestellt werden. Ein hundertprozentiger Schutz der Öffentlichkeit wird auch durch sie nicht möglich sein.

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