Politik trotz knapper Kassen
Der Sparkurs des rot-roten Senats schuf einige Spielräume, aber die Schulden bleiben
Die Schüler hatten's drauf. Die Wahlkampfforderung nach 400 zusätzlichen Lehrern rechneten die Landessieger von »Jugend debattiert« im Meinungsstreit mit Spitzenkandidaten auf die Realität von einem halben Lehrer pro Schule herunter. Auch 250 Polizisten mehr dürften sich im weiten Berliner Straßenland unauffällig verlieren. Antworten geben Zahlen eben doch nicht allein.
Das gilt sogar für den Haushalt. Der Berliner beläuft sich im Jahr auf gut 20 Milliarden Euro. Die Schulden aber betragen gewaltige 62 Milliarden Euro. Trotz immenser Zinszahlungen von rund 2,5 Milliarden Euro kam Berlin im Jahre 2007 erstmals ohne neue Verbindlichkeiten aus. Armen Bundesländern, die solche Leistungen vorweisen können, sollte allerdings auch geholfen werden – wie den Banken oder Euro-Staaten. Auch Berlin wird sich nicht mehr allein retten können.
Der Kurs auf Konsolidierung der Finanzen und Senkung der Ausgaben, den Rot-Rot im Schatten der schweren Krise der Berliner Bankgesellschaft mit dem erstmaligen Amtsantritt 2001/2002 einleitete, führte zu ausgeglichenen Finanzen. Ist auch dieser sogenannte Primärhaushalt ohne gezahlte Zinsen und ohne Einnahmen aus Verkäufen errechnet, sind viele andere Länder und auch der Bund von ähnlichen Sparleistungen noch weit entfernt. Dass sie auch dort ohne ernstliche Erschütterungen erbracht werden können, bedarf noch eines Nachweises.
Wenn dies in Berlin weitestgehend gelang, dann ist es in hohem Maße der sozialen Grundorientierung in der Senatspolitik zu danken. Der Wille, Zwangsumzüge von Hartz-IV-Empfängern zu vermeiden, blieb stark. Erst als der Bund eingriff, wurde offener Widerstand zwecklos. Auch Studiengebühren müssen nicht gezahlt werden. Wenn auch zeitweilig der böse Verdacht laut wurde, mit Studienkonten solle ihnen eine Hintertür geöffnet werden. Doch die Absicht zu einem weitgehend verträglichen Sparmaß blieb auch trotz manchen Schmerzes glaubwürdig.
Solches und mehr hätte der eine nicht ohne den anderen Koalitionspartner geschafft – oder manchmal auch der eine ohne den anderen nicht ganz so entschieden gewollt. Für den Öffentlichen Beschäftigungssektor zum Beispiel musste sich die LINKE heftig ins Zeug und mit der SPD anlegen. Sozialticket und BerlinPass fielen nicht vom Himmel. Berlin lebe von seinen Einnahmen aber nicht »prächtig«, sondern wirtschafte hervorragend, versichert immer wieder die Finanzverwaltung von Senator Ulrich Nußbaum (parteilos).
Die Antwort auf die Frage »Was kostet Berlin?« kann aber weiterhin vor Ort gegeben werden. Das Sparen hat sich für Berlin schon deshalb gelohnt, weil politische Spielräume für Entscheidungen erhalten werden konnten. Die Kassen bleiben trotzdem knapp. Doch wofür könnte Politik sonst noch gebraucht werden als für Entscheidungen über Schwerpunkte und Grundrichtungen? Bundesvorgaben und allzu viele Faktoren außerhalb der Landesverantwortung machen die Spielräume allerdings eng genug.
Wie oft wurde Berlin bereits von sogenannten reichen Ländern kritisiert und sogar mit einer Verfassungsklage von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen bedroht, weil Kita-Besuche in der Hauptstadt von Gebühren befreit worden sind. Das könnten sie sich nicht einmal als »Geber« im Finanzausgleich der Bundesländer leisten, wurde geklagt. Dabei ist es auch für sie immer noch die eigene Entscheidung, was sie sich ihr Land kosten lassen. Wer sich gebührenfreie Kita-Plätze nicht leisten kann, der gibt sein Geld dann eben für andere wichtige Dinge aus.
Für das Berliner Vorgehen gibt es natürlich Argumente: Solche Kitaplätze sind ebenso eine Investition in die Zukunft wie ein von Gebühren freier Zugang zu den Universitäten und Hochschulen. Aus Bildung erwachsen im weitesten Sinne Arbeitsplätze oder werden erst besetzt, wenn sie vorgewiesen werden kann. Ohne all das wiederum ließe sich keine moderne Industrie entwickeln, derer die Stadt aber dringend bedarf.
Das sagen die Parteien:
SPD: Wir haben Wort gehalten und erste Schritte zum Schuldenabbau getan. Wir werden Berlin nicht kaputtsparen, um die unausgewogenen und unsozialen Steuerpläne von CDU und FDP auf Bundesebene zu finanzieren. Bei Bildung und Wissenschaft wird auch künftig nicht gespart.
CDU: Sparen, bis es quietscht und die Gebühren erhöhen, bis es beißt, kann nicht die Antwort sein. Die einzig denkbare Antwort ist eine ganz neue Wirtschaftspolitik, die die Unternehmen in der Stadt wachsen und damit die Steuern sprudeln lässt. Grundlage der Haushaltskonsolidierung soll die Verwaltungsreform mit der Kosten- und Leistungsrechnung sein.
LINKE: Ausgabendisziplin bleibt notwendig. Im Rahmen der landespolitischen Möglichkeiten sollen die Einnahmen gestärkt werden. Unternehmen und Menschen mit hohem Einkommen sollen angemessen an der Finanzierung der öffentlichen Aufgaben beteiligt werden. Zu prüfen sind die Einführung einer Steuer auf Hotelübernachtungen und eine Anpassung der Gewerbesteuer.
Grüne: Öffentliche Mittel nachhaltig verwenden. Einsatz für Zukunftsinvestitionen, die langfristig Geld einsparen, wie die energetische Gebäudesanierung. Wohl alle Politikbereiche werden von Budgetkürzungen betroffen sein. Nach einem Ausgabenvergleich mit anderen Stadtstaaten werden Subventionen in Höhe von rund 250 Millionen Euro eingespart werden müssen.
FDP: Senkung der Steuer- und Abgabenlast, um Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu verbessern. Deutlich reduziert werden sollen die Belastungen für Mieter und Immobilieneigentümer. Dies betrifft neben der Grund- und Grunderwerbssteuer vor allem auch die Entgelte für Wasser, Abwasser, Abfall, Straßenreinigung, Schornsteinfegerwesen und Fernwärme. Quelle: Wahlprogramme
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