Fetter Server-Schrank mit Schlüssel

Piraten starten ins Parlament / Debatten um Posten und Presse

  • Andreas Rabenstein, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Tücken der politischen Realität und die Probleme mit idealistischen Zielen haben die neu gewählten Piraten in Berlin schneller eingeholt als gedacht. Zwar starteten die 15 Abgeordneten am Donnerstagabend mit ihrer ersten und öffentlichen Sitzung in ihre parlamentarische Arbeit. Doch die Schwierigkeiten mit politischen und persönlichen Differenzen, Satzungsfragen, Terminen und Machtansprüchen Einzelner waren unübersehbar. Euphorie gab es nur in einem Punkt: Die Zusammenarbeit mit den Technikexperten des Abgeordnetenhauses klappte von Beginn an perfekt.

Einige Abgeordnete hatten sich schon vor der Sitzung öffentlich bereit erklärt, Vorsitzende zu werden. Anderen ging dieses Vorgehen deutlich zu schnell. Nach einer längeren und teilweise emotionalen Debatte wurde das Thema vorerst aufgeschoben. Als erstes plant die Fraktion nun, eine Satzung auszuarbeiten. Außerdem wurden zwei Mitglieder bestimmt, die den Kontakt zur Verwaltung halten sollen.

Die anfänglichen Vorschläge für eine schnelle Wahl der Spitzenposten, die vom Spitzenkandidaten Andreas Baum und seinem Kollegen Christoph Lauer kamen, wurden von einem Teil der Fraktion vehement abgelehnt. »Ich finde das ziemlich intransparent«, sagte die 19-jährige Susanne Graf über die kurzfristige Planung. »Wir haben noch nicht einmal eine Fraktion, da brauchen wir auch keinen Fraktionsvorsitzenden.« Unterstützung bekam sie von Kollegen, die Lauer Schnoddrigkeit und »ziemlich krasse Polemik« vorwarfen. Der schüttelte zeitweise den Kopf und sprach von »gegen die Wand fahren«.

Echte Abgeordnete sind die gewählten Piraten-Politiker erst ab der konstituierenden Sitzung des Landesparlaments am 27. Oktober. Bis dahin ist die 15-köpfige Gruppe eigentlich eine sogenannte Fraktion in Gründung. Trotz des Widerstandes einzelner Abgeordneter wie etwa Lauer soll die angekündigte Öffentlichkeit der Sitzungen und Beschlüsse vorerst beibehalten werden. Zeitweise drängten sich mehrere Kamerateams während der Debatte um die Tische der überwiegend jungen Parlamentarier. Mikrofone wurden über die Sprechenden gehalten. Lauer sagte zu der Debatte über einige Streitpunkte: »Ich habe große Bauchschmerzen damit, dass wir das hier so vor der Presse machen.« Andere widersprachen: »Es geht hier um politische Entscheidungen.«

»Wir wollen von Anfang an, dass jeder involviert ist«, sagte der Abgeordnete Simon Kowalewski. »Damit die nächsten fünf Jahre jeder sehen kann, was wir machen.« Fraktionssitzungen sollen nach den jetzigen Plänen entweder live ins Internet übertragen, beziehungsweise aufgezeichnet oder protokolliert und später öffentlich gemacht werden.

Echte Begeisterung brach nur an einem Punkt aus: die IT-Technik des Parlaments. »Wenn die FDP auszieht, kriegen wir einen fetten Server-Schrank im Keller, zu dem wir den Schlüssel haben«, sagte Alexander Morlang. Da brach verhaltener Jubel aus, und Daumen wurden empor gereckt. Man diskutierte kurz die neuen technischen Möglichkeiten. Morlang fasste glücklich zusammen: »Wir kriegen alles, was wir wollen. Ich wusste gar nicht, dass man so gut mit einer Verwaltung zusammenarbeiten kann.«

Noch ein Punkt ließ sich bereits klären. »Seit heute gibt es in der Kantine des Abgeordnetenhauses Club-Mate«, meinte einer. Klatschen. Nur Lauer murmelte: »Dann können wir in fünf Jahren wenigstens sagen, wir haben zumindest etwas verändert.«

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