Verstoß gegen das Reinheitsgebot

Oberbürgermeisterin mit SED-Vergangenheit im CDU-Landesvorstand nicht vorgesehen

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 3 Min.

Die CDU-Landesvorsitzende und Landtagsfraktionschefin Saskia Ludwig ging in der Vergangenheit damit hausieren, ihre Fraktion sei frei von Einsprengseln der DDR-Blockpartei CDU. Nun könnte dieses Reinheitsgebot zu einem erheblichen Konflikt führen.

In Brandenburg/Havel ist Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann (CDU) mit Bravour im Amt bestätigt worden. Sie ist eine strahlende Kommunalpolitikerin. Ihr Weg in den CDU-Landesvorstand und dort sogar an die Spitze scheint vor diesem Hintergrund gleichsam natürlich. Dass sie sich vorstellen könne, im Landesverband mehr Verantwortung zu übernehmen, hat sie schon mal vorsichtig bekanntgegeben. Von vielen Seiten wird Frau Tiemann dazu aufgefordert. Und in einigen Wochen wird gewählt.

Nun gibt es aber auch Saskia Ludwig, die eigene Pläne verfolgt. Auf der Liste ihrer Wunschkandidaten fehlt Dietlind Tiemann. Das ist umso erstaunlicher, als kürzlich der Polit-Hasardeur Sven Petke ankündigte, sich aus dem Landesvorstand zurückziehen zu wollen. Es hätte also nicht einmal großer Scherereien bedurft, um Frau Tiemann den ihr im Grunde zustehenden Platz anzubieten. Er war schließlich frei.

Aber Saskia Ludwig ist in dieser Sache Gefangene ihrer eigenen politischen These. Denn als geläutert, gereinigt und frei von Blockparteipolitikern hat sie ihre CDU-Fraktion angepriesen. Leider war ihr ein Fehler unterlaufen, denn die Abgeordnete Monika Schulz-Höpfner, 20 Jahre lang Chefin der märkischen Frauen-Union, ist schon 1985 der CDU beigetreten. Wenn nun Dietlind Tiemann im Landesvorstand auftauchen würde, dann wäre das Bild dahin. Denn Frau Tiemann war in der DDR sogar SED-Mitglied.

Der jetzt von Frau Ludwig verfolgte Stil ist der CDU Brandenburgs seit 1990 immer wieder zum Verhängnis geworden. Immer mal wurden Beschlüsse gegen die Sozialisten gefasst, die dann aber mit der politischen Notwendigkeit kollidierten. Einst bekannte der damalige CDU-Fraktionschef Peter-Michael Diestel freimütig: Vor jeder Landtagssitzung stimme sich die CDU mit der PDS ab. Später sollte dann das Tischtuch zerschnitten werden. Keine Initiative gemeinsam mit der PDS, lautete die Devise. Aber Landräte mit den Stimmen der Sozialisten wählen zu lassen, dagegen hatte die CDU nichts. Auf Landesebene keine Zusammenarbeit, auf kommunaler schon, wenn es der eigenen Sache nützt. Kürzlich rügte ein Gutachter für die Vergangenheits-Enquetekommission des Landtags diese Doppelzüngigkeit. Er warf der CDU vor, am allerwenigsten die eigene Vergangenheit aufgearbeitet zu haben.

Vor vier Jahren unterschrieb Saskia Ludwig ein Thesenpapier, das den damaligen Landesvorsitzenden Ulrich Junghanns – er hat eine Vergangenheit als Funktionär der DDR-Bauernpartei DBD – nicht als »geeigneten Spitzenkandidat für die Landtagswahl« einstufte. Junghanns, der sonst eine demonstrative Gleichmut gegenüber den Querelen in seiner Partei zur Schau getragen hatte, platzte bei dieser Gelegenheit der Kragen. »Jetzt reicht es mir.« Da das Papier von »Profis« stamme, müsse ein Kalkül dahinterstecken, was er »auch persönlich übel« nehme. Inzwischen hat Frau Ludwig eine Reihe von interessanten politischen Schachzügen hinter sich. Den von der CDU durchgesetzten Großflughafen in Schönefeld als Fehler zu bezeichnen gehörte dazu. Mit ihrem konfrontativen Oppositionskurs gegen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) hat sich Ludwig auch im eigenen Lager nicht ausschließlich Freunde gemacht.

Nichts deutet darauf hin, dass die CDU »stärkste politische Kraft« in Bandenburg wird, wie Saskia Ludwig sich das bei der Amtsübernahme vorgenommen hatte. Ursprünglich gehörte Ludwig zum Petke-Lager, das vor drei Jahren zwar knapp gegen Ulrich Junghanns unterlag, in der Folge aber dennoch das Heft des Handelns an sich reißen konnte. Dieses Petke-Lager gibt es so nicht mehr.

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