Toleranz, Respekt, Normalität
Ein Jahrzehnt Islamunterricht an den Schulen
Die Zahl der in der Bundeshauptstadt lebenden Muslime wird derzeit auf etwa 220 000 geschätzt. Der Einführung des Islam-Unterrichts als freiwilliges Schulfach in Verantwortung der Religionsgemeinschaft war ein jahrzehntelanges juristisches Tauziehen zwischen Senat und Islamischer Föderation vorangegangen. Der Dachverband von zwölf Moscheegemeinden und weiterer islamischer Vereinigungen steht der als fundamentalistisch eingestuften Organisation Milli Görus nahe.
Die Islamische Föderation in Berlin ist nach eigenen Angaben derzeit an 32 Berliner Grundschulen präsent. Sie unterrichtete im vergangenen Schuljahr mit 4833 Schülern den überwiegenden Teil der Kinder. 2009 wurden mit 4922 Kindern die meisten Teilnehmer am Islam-Unterricht der Islamischen Föderation in den vergangenen zehn Jahren gezählt. Am Unterricht des Kulturzentrums Anatolischer Aleviten nahmen im vergangenen Schuljahr 149 Kinder teil (2009: 143).
Unterstützt wurde die Föderation in ihrer Forderung nach einem islamischen Religionsunterricht von den beiden großen christlichen Kirchen. »Dies sei Ausdruck der Toleranz, des Respekt und der Normalität« gewesen, sagt heute Steffen-Rainer Schultz, der zuständige Oberkonsistorialrat in der evangelischen Landeskirche: »Gleiche Rechte und Chancen für diejenigen, die hier leben wollen«.
Zunächst hatte das Berliner Oberverwaltungsgericht der Föderation im November 1998 den Status einer Religionsgemeinschaft zugesprochen. Nach dem Berliner Schulgesetz ist das die Voraussetzung, um an den Schulen Islam-Unterricht zu erteilen. Zwar enthält das Grundgesetz in Artikel sieben eine Regelung, wonach Religionsunterricht an öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach ist. In Berlin gilt jedoch die sogenannte »Bremer Klausel«, nach der dieser Artikel in den Ländern keine Anwendung findet, in denen am 1. Januar 1949 eine andere landesrechtliche Regelung bestand. Danach wird der Religionsunterricht in Berlin in alleiniger Verantwortung der Kirchen erteilt. Die Teilnahme ist freiwillig.
Heute besuchen meist Kinder der dritten und vierten Einwanderergeneration den Islam-Unterricht. »Wir haben aber auch einen erheblichen Teil an Schülern, wo zumindest ein Elternteil ethnisch deutsch ist«, sagte der Vizepräsident der Islamischen Föderation Burhan Kesici. Der Unterricht finde ausschließlich in deutscher Sprache statt. »Aufgrund der sehr heterogenen Zusammensetzung der Schüler und deren Herkunftssprachen kommt eine andere Sprache als die deutsche gar nicht in Betracht.«
Wegen »verschärfter« Anforderungen an die Lehrkräfte habe der islamische Religionsunterricht an Schulen »nicht wie gewollt« ausgeweitet werden können. »Wir haben aber in den letzten Jahren gemerkt, dass der islamische Religionsunterricht durch die Schulen und durch die Lehrkräfte akzeptiert wird und besser organisiert werden kann.« Die meisten Schulen seien sehr bemüht, die Durchführung des Religionsunterrichtes zu erleichtern. »Generell könnte man sagen, dass wir uns mit den gleichen Problemen konfrontiert sehen, wie die anderen Anbieter«, sagt Kesici. Bei der Zusammenarbeit mit anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften in der Grundschule gebe es in einigen Schulen sehr gute Erfahrungen.
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