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Gründungsmythos

DAVID UND GOLIATH

  • Theodor Bergmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Es gibt viele Zionismen, vielleicht so viele, wie Juden auf der Welt. Daniel Cil Brecher hat sich vorgenommen, ein Buch über »den« Zionismus zu schreiben. Es ist gut recherchiert, interessant und zuweilen amüsant. Aber ...

Der moderne Zionismus wurde zuerst von dem Kommunisten Moses Hess formuliert, einem Freund von Karl Marx, der sich taufen ließ. Es war die Zeit der Aufklärung. Der Justizskandal um Alfred Dreyfus in Frankreich machte dann den Wiener Journalisten Theodor Herzl zum Zionisten. Dieser gründete 1897 in Basel die Zionistische Bewegung. Danach geschah nicht viel in Palästina, das ein undefinierter Teil des Osmanischen Reichs war. Im Ersten Weltkrieg erklärte die britische Regierung ihr intensives Interesse an der Ausschlachtung des »kranken Mannes am Bosporus«. Das vage Versprechen von Lord Balfour, den Juden eine Heimstätte in Palästina zu schaffen, veranlasste viele der wenigen Juden dort zur militärischen Hilfe für die bedrängte britische Armee unter Allenby im Krieg gegen Istanbul. Brecher schildert, wie oft Juden in der Weltpolitik missbraucht wurden, um imperialistische Ziele zu verschleiern, manchmal auch durch Politiker, die an die Mär der Antisemiten von der Allmacht des »Weltjudentums« glaubten.

Die jüdische Einwanderung in Palästina begann erst nach dem Weltkrieg Fahrt aufzunehmen, mit zunehmendem Antisemitismus in Europa. Richtig in Fahrt kam sie aber erst mit dem Aufstieg des Faschismus und dem Sieg der Nazis in Deutschland. Das war ein Arbeiterzionismus, geführt von jungen Sozialisten und in Palästina organisiert von der Arbeiterpartei, ihren sozialistischen Abspaltungen und anfangs auch noch von der KP. Dieser schuf die Grundlagen für die Staatsgründung 1948. Doch über diesen Arbeiterzionismus schreibt Brecher wenig.

Der Autor widmet sich vielmehr ausführlich dem Mythos vom schwachen David, der im Zweikampf den Riesen Goliath mit einer Steinschleuder besiegte. Dieses biblische Märchen/Gleichnis sucht er in seinen vielen Variationen und Interpretationen in Literatur und Kunst. Er erklärt es zum Gründungsmythos des Staates Israel.

Ein Forscher hat herausgefunden, dass Goliath an zu schnellem Wachstum und Sehschwäche litt, was den Sieg Davids erkläre. Dieser Mann wurde Professor an der Universität Ber Sheva, gründete eine Stiftung und erhielt nach langem Widerstand der Behörden die Erlaubnis, im Elah-Tal, wo er das legendäre Duell lokalisierte, ein Denkmal aufzustellen. Erstaunlich, was Brecher alles zu erzählen weiß. Aber was hat das mit den großen Gegenwartsproblemen in Nahost zu tun?

Brecher befasst sich auch mit dem UNO-Teilungsbeschluss von 1947 und dem Mächtespiel um die Anerkennung des Staates 1948. Die Sowjetunion war wärmste Fürsprecherin. Sie schickte Flugzeuge und eröffnete die erste Boschaft in Tel Aviv. US-Präsident Truman hatte hingegen größte Bedenken. Der verbissene Antikommunist sah die Gefahr der sowjetischen Dominanz in der Region, doch er musste an seine Wähler in den USA denken. In der Geschichtsverfälschung wurde aus dem Gesinnungswandel Philosemitismus. Tatsächlich weigerten sich die späteren US-Präsidenten bis etwa 1968, Waffen an Israel zu verkaufen. Auch die britischen Konservativen waren überwiegend gegen die Gründung des Staates Israel.

Brecher befasst sich auch mit den Motiven der Bundesrepublik Deutschland. Sie gab sich Israel-freundlich. Mit einigen Milliarden DM »Wiedergutmachung« wollte man sich den Eintritt in das Konzert der demokratischen Westmächte erkaufen, zugleich übte man in wichtigen Fragen Druck auf Israel aus.

Brecher wertet die Politik der israelischen Regierungen äußerst kritisch. Er nennt z. B. die Entführung Eichmanns aus Argentinien, den Prozess, das Urteil und die Hinrichtung des SS-Mannes eine »von Ben Gurion orchestrierte Tat« und das »ebenso geschickt in Szene gesetzte Gerichtsverfahren eine sehr elaborierte israelische Inszenierung«. Deutsche Antifaschisten waren froh, dass dieser Verbrecher seiner gerechten Strafe zugeführt worden ist; sie hätten sich über ähnliche Entschlossenheit in der Bundesrepublik gefreut.

Der jüdische Historiker zerstört manche Mythen und Zweckmärchen, schafft aber selbst auch einige neue. So glaubt er an die Allmacht der jüdischen AIPAC-Lobby in Washington und will eine ähnlich starke »Pro-Israel-Koalition« in der Bundesrepublik entdeckt haben. In seiner Kritik übertreibt er m. E. die aktive Rolle und Hilfe »des Westens« bei der Entstehung des Staates Israel und vergisst dahingegen die sehr aktive Rolle der UdSSR 1947/48.

Daniel Cil Brecher: David – Der Westen und sein Traum von Israel. Papyrossa Verlag. 251 S.,br., 15,90 €

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