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Mutige, wissende Mahnung

Die Hofgalerie ehrt mit »Tod in Breslau - Begegnung in Bildern« Bernhard Heisig

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 4 Min.

Das Faltblatt zur Ausstellung zitiert Bernhard Heisigs Wort, »doch Kunst als Kunst zu begreifen und nicht als Illustration von Konzeptionen, und wieder möchte man gleich zustimmen, wenn man nur wüßte, wie es funktionieren soll«. Gesprochen in seinem Diskussionsbeitrag auf dem Kongress des DDR-Verbandes Bildender Künstler 1983. Die mutige, wissende Mahnung eines Mannes, der die Zeitenläufe durchlitten hat. Vom Freiwilligen in einer SS-Panzer-Division und Invaliden bei Kriegsende über das SED-Mitglied zum zweifelnd widerborstig den eigenen Weg Suchenden, der Nationalpreise und Parteibuch zurückgibt. Vom Professor und Rektor an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, mit Staatsaufträgen bedacht, zum Freiberufler, der zäh seinen drängenden Themen folgt. Ein Künstler in seiner Zeit. Einer der bedeutenden, die Generationen von Schülern beeinflussten, Arno Rink, Werner Liebmann, Neo Rauch, bis wieder zu deren Schülern. Im Juni starb Heisig 86-jährig. Die Galerie Rosendahl, Thöne & Westphal richtet ihm derzeit eine repräsentative Gedenkschau aus. Mehr als 25 Werke aus gut vier Jahrzehnten gilt es auf den Über-Zeitwert zu besichtigen, auf das Bleibende eines mit sich, seinem Leben, seiner Ära ringenden Künstlers.

Was beim Gang durch die Räume auffällt, wo dicht bei dicht die Bilder hängen, ist die unbändige Kraft der Darstellung wie auch des Anliegens. Keine kulinarische Kunst, in die man sich froh kontemplativ versenkt, vielmehr die strenge Forderung, sich ihr zu stellen, Haltung zu beziehen, den Schmerz zu spüren, aus dem sie entstand. Da ist »Der Kriegsfreiwillige« von 1982/86: ein fanatisierter Jüngling in Uniform, umgeben von Monstern, von Unwirklichem, Zerstörung, sich Auflösendem, einem Strudel des Untergangs, im pastosen Auftrag greller Farben. Da ist »Tod in Breslau - zäh + tapfer« von 2001/03, ein später Totentanz, der auf Heisigs Geburtsstadt anspielt. Ein Alptraum wie von Bosch oder Breughel, mit Gerippen, die den Kopf in Trompeten stecken, Panzer voller menschlicher Masse beklettern. Das Kanonenrohr zielt aus dem Bild heraus; im Zentrum jener dichten Ballung von aufstörendem Geschehen hängt welk ein Christus am Kreuz. Das Werk, wie alle in Öl auf Leinwand, Holz oder Hartfaser, gab der Exposition den Titel: »Tod in Breslau - Begegnung mit Bildern«.

Immer wieder begegnet man der Auseinandersetzung mit Krieg und Gewalt. Jenes Schlachtens etwa, das Heisig grausig miterlebte. »Kreuze und Stern und Der Meister in Deutschland«, 2001, bindet feist grinsende Gesichter, den Soldaten, dem das Totenkreuz auf den Uniformrücken gemalt wird, leidvoll aufgerissene Münder, Männer mit Davidstern in eine Hoch-Staffelung, die rechts ein Toter am Kreuz auf seinem Militärdress nicht verdecken kann.

Mehrfach greift Heisig das Sujet Kreuzigung auf. In »Christus verweigert den Gehorsam« von 2006 scheint sich der Mann vor ein Kriegsgefährt mit schreiendem Mund spannen zu lassen oder daran geschlagen zu sein; auf »Warum, es ist ein Glaubenskrieg, gottgefällig« von 2001 umlodert den Gekreuzigten ein flammendes Inferno, unten, neben einem Totenkopf, schlagen Gestalten die Hände vors Gesicht. »Der Gejagte 2005« ist ein bärtiger Alter, der in bedrohlich grünem Flur eine Treppe aufwärts eilt, von der man ahnt, dass er oben nicht ankommt. Während das »Porträt Stauffenberg« III von 2009 mehr dynamische Chiffre ist als ein Porträt, zeigt »Claus Schenk Graf von Stauffenberg« von 2010 den rot Unterlegten mit Aktentasche, darin die Bombe, im Moment höchster Anspannung.

Mehrfach auch wählt Heisig Friedrich II. zum Subjekt intensiver Betrachtung. »Friderizianische Totenrede« von 1996/97 lässt den Monarchen sich erschreckt umwenden, als er mit dem Barett eine Ansammlung Toter zu bedecken sucht; auf »Friedrich«, 2008/09, ist ein rotes Uniformstück am Kinn einzig klares Element unter einem in Farbtupfer zerfallenden Gesicht. Wirkt die »Pariser Commune« von 1968/69 warmtönig und sieghaft, geben drei Studien von 2001/02 eher die desperate, todgewisse Stimmung im Chaos sich Schleppender wieder; dünn und schlierig der Farbauftrag. Heisigs »Lenin« von 1971 ist mehr Mensch als feuriger Agitator; »Espenhain« (Braunkohlekraftwerk) von 1968/2006 porträtiert den Kumpel mit gefurchter Stirn in energischem Vortrag vor grellem Gelb und mit Hühnern als still witzigen Zaungästen. Entdecken in der Schau lässt sich ebenso der Künstler-Chronist, Bach etwa und Mozart, wie der liebevolle Natur-Maler Bernhard Heisig. Ein politisch Ambitionierter mit vielen, stets wiedererkennbaren künstlerischen Handschriften.

Bis 29.10., Hofgalerie Kurfürstendamm 213, Charlottenburg, Telefon 882 76 82, Infos unter www.rtwberlin.com

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