Im Jahr der leeren Versprechungen
Pflegereform: DGB drängt auf solidarische Finanzierung und zügige Gesetzgebung
Entgegen allen Beteuerungen lässt sich die schwarz-gelbe Regierungskoalition weiterhin Zeit mit der Pflegereform. Am Donnerstag lud der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu einer Fachtagung ein, die zum wiederholten Mal eine Standortbestimmung zum Thema vornehmen sollte. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) stellte sich der drängenden Nachfrage nach dem Reformtermin: Die Regierungskoalition würde »in den nächsten Wochen« zum Beschluss kommen, in Kraft treten sollte ein entsprechendes Gesetz im ersten Halbjahr 2012. Darin würden verbesserte Pflegeleistungen, deren Finanzierung sowie der erweiterte Pflegebegriff festgeschrieben, so der Minister. Bahr musste aber eingestehen, dass die Koalition noch immer keine gemeinsamen Eckpunkte zur Reform bestimmt habe.
DGB-Vorstand Annelie Buntenbach kritisierte den Verzug: »Das angekündigte Jahr der Pflege ist zu einem Jahr der Ankündigungen und Enttäuschungen geworden.« Angesichts immer neuer Finanzierungsvorschläge aus der Regierung entstehe der Eindruck, dass die Reform auf die lange Bank geschoben werden solle. Die bestehenden Probleme seien seit Jahren bekannt, die Umsetzung des erweiterten Pflegebegriffs, mit dem auch psychosoziale Beeinträchtigungen einbezogen werden sollten, längst überfällig. Zudem müssten endlich die Pflegeleistungen aufgewertet werden.
Buntenbach wies alle Angriffe gegen die weitere Aufweichung der paritätischen Finanzierung zurück und bekräftigte den Gewerkschaftsstandpunkt, eine solidarische Bürgerversicherung auch in diesem Bereich einzuführen. Sicher sei eine Beitragserhöhung unabwendbar, aber sie müsse zu gleichen Teilen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen werden. »Mit unserem Vorschlag für eine solidarische Finanzreform brauchen wir statt 2,8 Prozent, wie es das Gesundheitsministerium prognostiziert, im Jahr 2030 nur einen Pflegebeitrag von rund 2,4 Prozent.« Das sei weniger, als von der Gegenseite immer behauptet würde. Eine weitere verpflichtende, private Zusatzversicherung - wie auch von der FDP lange gefordert - vermindere das versprochene »Mehr vom Netto« weiter, mit besonders drastischen Auswirkungen für Geringverdiener.
In eine solidarische Bürgerversicherung sollte nach dem DGB die private Pflegeversicherung einschließlich ihrer hohen Rücklagen einbezogen werden. Ebenso sollten nach dem Vorschlag vom März des Jahres Kapitaleinkünfte beitragspflichtig werden. Auch wenn das konkrete Vorgehen dabei noch offen sei, bezeichnete Gesundheitswissenschaftler Thomas Gerlinger von der Uni Bielefeld dies als zu bewältigendes, nur technokratisches Hindernis. Allerdings müsse dafür klar sein, dass die Risiken eines hohen Alters gemeinschaftlich und nicht privat zu tragen seien. Der FDP-Minister blieb jedoch dabei, dass noch Zeit sei, eine »private Vorsorge« aufzubauen.
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