Eine lustige Partei

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 2 Min.

Parlament will gelernt sein. Das gilt auch für die Piraten, die gerade den Sprung ins Abgeordnetenhaus geschafft haben. Um Erfahrungen zu sammeln, sind drei ihrer designierten Abgeordneten bereits zu einer ersten Auslandsreise aufgebrochen - nach Island. Dort regiert in der Hauptstadt Reykjavik seit vergangenem Jahr eine Art Schwesterpartei der Piraten. Die nennt sich »Beste Partei«, ihr Vorsitzender heißt Jón Gnarr und war (?) Islands beliebtester Komiker. Im Wahlkampf versprach er neben kostenlosen Badehandtüchern in Schwimmhallen auch, dass er alle seine Wahlversprechen brechen werde. Jetzt ist er Reykjaviks Bürgermeister. Auch die isländischen Kollegen seien Menschen, die einen anderen Politikstil wollten und ins kalte Wasser geworfen wurden, hieß es aus Delegationskreisen der Piraten. Sicher werden sie den Abschiedsgruß Gnarrs beherzigen: »Verliert nie euren Humor«.

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Bei den Koalitionären in spe muss man genau das aber befürchten. Was sind Klaus Wowereit und Frank Henkel schon nach der ersten Verhandlungsrunde unter Druck gesetzt worden, nur weil sie sich nichts Unnützes an den Hals hohlen wollten - eine Krawatte zum Beispiel. Von »modischer Revolution« war die Rede und schamlos freigelegter »Drosselgrube«. Prompt erschienen beide schon zum nächsten Pressetermin wieder mit züchtigem Binder, »obwohl uns schon angedroht worden war, wer als erster eine Krawatte umbindet, der verliert«, gestand Wowereit. Da sie also gleichzeitig umbanden, soll das wohl heißen, dass beim Koalitionspoker bisher alles unentschieden ausging.

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Wowereit beispielsweise soll seine neue Landesbibliothek und Kunsthalle bekommen, und die CDU hat im Gegenzug eine Ergänzung der Vereidigungsformel für Richter durchgedrückt. »So wahr mir Gott helfe« sollen diese künftig beteuern, oder auch nicht. Denn den Zusatz aufzusagen, bleibt freiwillig wie bisher, aber er steht endlich im Gesetz.

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