Fragile Transparenz

Die Ausstellung »Kunst und Philosophie« im nbk belässt vieles im Beliebigen

  • Anouk Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.

»Kunst ist Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein«, sagt Adorno. Er und seine Kollegen haben viele kluge Sprüche über die Bedeutung von Kunst geäußert; doch wie stehen umgekehrt die Künstler zur Philosophie? Dies will die Ausstellung »Kunst und Philosophie« im Neuen Berliner Kunstverein (nbk) herausfinden - und lässt den Besucher doch weitgehend im Unklaren.

Kurator ist der Berliner Philosoph Marcus Steinweg, der seit Jahren mit dem Schweizer Installationskünstler Thomas Hirschhorn zusammenarbeitet; 2007 entwarfen die beiden »The map of friendship between art and philosophy«, eine Karte, voll von großen Begriffen wie Krieg, Mut, Liebe und Hoffnung. Auch in der aktuellen nbk-Schau ist Hirschhorn, der auf der diesjährigen Biennale in Venedig den Schweizer Pavillon gestaltet hat, an zentraler Stelle vertreten. In einem extra Raum mit großem Fenster zur Straße präsentiert sich seine medienkritische Installation »Eye to Eye Subjecter«, in der zwei schwarzhaarige Schaufensterpuppen aus meterhohen Papierkleidern wachsen, die sich dreidimensional in den Raum hinein ausdehnen; die »Kleider« erweisen sich als Bilderteppich von Zeitschriftenfotos in Gelb-Rot-Tönen, die teils Feuer, Krieg und grauenhaftes Leid zeigen, teils romantische Sonnenuntergänge.

Nur eine Wand weiter dreht sich im Film der Portugiesen Joao Maria Gusmao und Pedro Paiva erst ein Fahrrad-, dann ein Autoreifen, bis schließlich der Hintergrund selbst rotiert: Symbol für Mobilität wie für die Frage des Standpunktes.

Setzen sich diese Arbeiten noch deutlich mit unserer Wahrnehmung des Einzelnen auseinander, sind andere Werke weniger eindeutig. Glas als Symbol für Schein nutzen zwei Künstlerinnen: Swantje Hielscher stellt zwei große Glasscheiben in einem Gestell mitten in den Ausstellungsraum, während Newcomerin Kitty Kraus zwei dünne Scheiben übereinander scheinbar frei in den Raum ragen lässt; zwar berühren die Kanten die Wand, doch scheut man jede heftige Bewegung in der Nähe dieser fragilen Transparenz.

Mit Wahrnehmung spielt auch Marcellvs L. Für seinen Videofilm hat er 15 Minuten lang das Einziehen eines Fischernetzes per Teleobjektiv gefilmt. Das Bild der sich bewegenden Schnüre und Knoten wirkt erst meditativ, dann schwindelerregend. Schwierig, daraus - wie beabsichtigt - »die Trennlinie zwischen Präsenz und Absenz« herauszufiltern.

Das gelingt eher bei Haegue Yang. Ihre Arbeit besteht sichtbar nur aus einem Ensemble aus Stuhl und Tisch, darauf ein Safe. Erst aus der Broschüre erfährt man, dass im Safe Einwegkameras mit nie entwickelten Filmen sowie fertige Fotos liegen, die nie betrachtet wurden - beides Ergebnisse einer Ostsee-Reise der Künstlerin, die somit nur in ihrem Gedächtnis Bestand hat. Ein kluges Spiel mit der Frage, wann etwas existiert.

Besteht zwischen Kunst und Philosophie nun eine »Freundschaft« oder doch eher Rivalität? Diese Frage können auch die restlichen drei Positionen - ein vierteiliges Arrangement von Bethan Huws, die sich über Jahre mit dem Werk von Marcel Duchamps auseinandergesetzt hat, eine Wand-Decken-Malerei im ornamentalen Stil von Turner-Preisträger Richard Wright und eine Wandzeichnung von Christian Schwarzwald - nicht beantworten. Ein wenig beliebig wirkt die Auswahl der Werke. Doch vielleicht bringt die Vortragsreihe, die als Teil der Ausstellung verstanden werden will, Aufklärung.

Bis 30.10., nbk, Chaussestr. 128/129

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