Mehr Videoüberwachung und Polizeipräsenz
Grüne und LINKE kritisieren Ankündigungen der Großen Koalition zur Innenpolitik
Bei den Oppositionsparteien im Abgeordnetenhaus stoßen die schwarz-roten Ankündigungen zur Innenpolitik auf Ablehnung. »Man muss nicht gleich die Alarmsirenen heulen lassen, aber da steht Übles zu befürchten«, meint Benedikt Lux, der innenpolitische Sprecher der Grünen. So werde beispielsweise die individuelle Kennzeichnungspflicht für Polizisten wieder infrage gestellt. Dass Schwarz-Rot überdies plant, mit 250 neuen Polizisten bereits aufgelöste Einsatzhundertschaften zu reaktivieren, hält Lux für »unvernünftig«, weil dann wegen der schlechten finanziellen Haushaltslage an anderer Stelle wie der Ausrüstung gespart werden muss. Überhaupt glaubt der Grüne-Innenexperte, dass die wirklichen innenpolitischen Absichten nicht im Koalitionsvertrag stehen, sondern erst deutlich werden, wenn die CDU den Innensenator stellt. Auch in der Berliner Linkspartei betrachtet man die innenpolitischen Vereinbarungen von SPD und CDU mit großer Skepsis. Insbesondere das Vorhaben, möglicherweise mit einem Aktionsplan gegen »Linksextremismus« vorzugehen, hält Marion Seelig, die innenpolitische Sprecherin der LINKEN, für »Unsinn«. Eine Broschüre über Linksradikalismus und eine Konferenz zu dem Thema habe es bereits vor zwei Jahren gegeben, erinnert sie. »Damit ist alles deutlich gesagt«, betont Seelig. Aussteigerprogramm für Linksradikale beispielsweise würden nur Sinn machen, wenn es autoritäre Strukturen in der linken Szene gebe wie bei den Rechtsextremen. Dies sei aber nicht der Fall.
Die LINKE in Berlin lehnt deshalb eine solche Politik der Großen Koalition, wie sie sich auch in der »Extremismusklausel« auf Bundesebene niederschlage, weiter ab. Denn bisher sei man viel besser damit gefahren, die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus oder die Opferberatung Reach Out in Berlin diese Klausel nicht unterschreiben zu lassen, sagt Marion Seelig.
Kein Statement zur Innenpolitik war gestern von der Berliner Piratenpartei zu erhalten, die neu im Abgeordnetenhaus vertreten sein wird. Doch die Ausweitung der Speicherfrist zur Videoüberwachung von 24 auf 48 Stunden in U-Bahnhöfen dürfte für die Bürgerrechtspartei genauso ein Graus sein wie die Schaffung einer neuen Rechtsgrundlage, um künftig Demonstrationen legal durch die Polizei abfilmen zu lassen.
Indes nur einer von vielen Punkten, an denen deutlich wird, dass die SPD bereit war, der CDU zumindest im Bereich Inneres stärker entgegenzukommen. Nach den Gesprächen am vergangenen Freitagabend zeigte sich der Verhandlungsführer der Union, Frank Henkel, denn auch ziemlich zufrieden - trotz des Knatsches um die Neubesetzung des Polizeipräsidentenpostens mit Udo Hansen. »Wir haben durchgesetzt, dass es mehr Polizei auf der Straße gibt«, freute sich Henkel. Damit werde ein Wahlkampfversprechen der Union eingelöst. Zudem würde künftig stärker der Verfassungsschutz für den Kampf gegen »Linksextremismus« eingesetzt.
Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) zeigte sich von den Vereinbarungen zum Thema Inneres angetan: »Ich glaube, wir haben damit Grundlagen geschaffen.«
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