»Gefällt mir« - ganz und gar nicht
Es kommt Bewegung in den Facebook-Datenschutz-Streit
Nach einigen Wochen Stillstand im Streit zwischen Schleswig-Holsteins Datenschützer Thilo Weichert und Facebook kommt nun wieder Bewegung in die Frage der rechtmäßigen Datenverwendung.
Weichert sieht in der Datenweiterleitung auch ohne Nutzereinverständnis einen Verstoß gegen die europäische Datenschutzrichtlinie. Der Datenschützer erklärte, seine Zuständigkeit sei zwar auf Schleswig-Holstein begrenzt. Sinnvoll wäre allerdings eine für ganz Deutschland und darüber hinaus auch für Europa geltende Regelung für den Datenschutz im Internet. Es wäre auch eine persönliche Genugtuung für ihn, käme das doch einem Punktsieg gegen den Mediengiganten gleich. Besonders die Nutzung von Fanpages des weltweiten sozialen Netzwerk-Multis und dessen Button »Gefällt mir« hatte der Datenschützer als nicht mit dem Recht vereinbar angeprangert und dafür zum Teil heftige Kritik ob seines Alleinganges à la David gegen Goliath eingesteckt, insbesondere auch von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU).
Mehrere Politiker kritisierten unterdessen, eine Regelung nur für Schleswig-Holstein wäre äußerst fragwürdig und würde nicht nur den technischen Gegebenheiten widersprechen, sondern auch nur weitere Verwirrung bei den Nutzern schaffen.
Zuletzt drohte in der Angelegenheit sogar ein juristischer Streit im hohen Norden. Weichert bleibt bei seinem Hinweis, dass ohne ein Einlenken von Facebook Webseitenbetreiber, die einen Zugang zu so genannten Plug-Ins - hier speziell Facebook mit dem »Gefällt mir«-Button - auf ihrer Homepage zulassen, sich nicht gesetzeskonform verhalten. Der oberste Datenwächter drohte deswegen zuletzt mit Bußgeldern und hat bereits stellvertretend an ausgewählte Einrichtungen, Institutionen und Unternehmen ein Mahnschreiben verschickt. Inhaltliche Rückendeckung bekommt er von seinen Länderkollegen und dem Bundesdatenschützer Peter Schaar, die sich aber alle noch nicht dem forschen schleswig-holsteinischen Vorgehen angeschlossen haben.
Kiel will erst mit anderen Ministern beraten
Weichert hatte den Betroffenen eine Frist bis Ende September eingeräumt, die Facebook-Fanpage oder besagten Button zu entfernen. Selbst die Staatskanzlei der Landesregierung ist dem nicht nachgekommen. Man wolle sich mit den anderen Ländern bei der nächsten Innenministerkonferenz abstimmen, so der Tenor aus der Kieler Regierungszentrale. Dort hält man den Vorstoß für überzogen.
Viele kleine Firmen und Selbstständige sind seit geraumer Zeit dazu übergegangen, ihre Internetpräsenz wegen der größeren Verbreitung im beliebten sozialen Netzwerk komplett auf Facebook zu fokussieren. Für einen Einklang mit dem deutschen Telemediengesetz und europäischen Datenschutzrichtlinien dürften sich die Wenigsten dabei interessiert haben.
Theoretisch können aktuell Bußgelder bis maximal 50 000 Euro erhoben werden. Dafür kommt aber nur die Privatwirtschaft in Frage, denn gegen behördliche Stellen darf lediglich eine Beanstandung ausgesprochen werden. Inzwischen sind aber Zweifel aufgetaucht, ob Weichert überhaupt Sanktionen aussprechen und Bußgelder erheben darf. Solch gelagerten Fall hat es bislang noch nicht gegeben, und offenbar weisen die gesetzlichen Bestimmungen diesbezüglich eine Lücke auf. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft kritisiert Weichert jedenfalls scharf, weil dieser gegen ein inzwischen »alltägliches Kommunikationsmittel« vorgehe. Es sei geradezu so, als solle die Kommunikation in Schleswig-Holstein ins 20. Jahrhundert zurückgeführt werden, heißt es von dem Verband.
Experten treffen sich im Bundestag
Der Hamburger Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar setzte unterdessen Facebook nach einem Bericht der Tageszeitung »taz« eine Frist bis zum 7. November, um die Vorgaben bei der automatischen Erkennung von Gesichtern zu erfüllen. »Die Zeit für Verhandlungen ist jetzt vorüber. Wir brauchen eine klare Bestätigung, dass Facebook unsere Vorgaben umsetzen will«, sagte Caspar der Zeitung. Ansonsten werde es unumgänglich, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Konkret fordert er, die Facebook-Mitglieder transparenter zu informieren und ihre Zustimmung einzuholen.
In Facebook können Nutzer Fotos hochladen und darauf gezeigte Personen mit einem Namen versehen - allerdings müssen die so markierten Nutzer diese Tags mit dem eigenen Namen freigeben. Einmal markierte Personen können danach automatisch in Bildern gefunden werden - möglich macht dies eine Software zur automatischen Gesichtserkennung.
Das Unternehmen ist zuletzt auf Forderungen eingegangen, die Sichtbarkeit von Statusmeldungen auf bestimmte Gruppen von Kontakten einzuschränken. Bei der strittigen Übermittlung von Nutzerdaten in die USA und bei der Markierung von Personen in Fotos gab es bislang keine Änderungen.
Heute sind Datenschützer Weichert und Facebook-Manager Allan zu einer Anhörung des Unterausschusses Neue Medien im Bundestag eingeladen. Der Bundestag müsse als Gesetzgeber klarere Regelungen für den Datenschutz im Internet als bisher auf den Weg bringen, sagte Weichert der dpa. Konkret gehe es da um Änderungen des Telemediengesetzes und des Bundesdatenschutzgesetzes.
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